"Ukraine – die Lage" stern-Experte Carlo Masala fordert ehrlichen Umgang mit Wohlstandsverlusten

Ein Geldbeutel mit wenigen Münzen darin
Leere Geldbörsen und Wohlstandsverlust – das werden die Deutschen hinnehmen müssen, so Carlo Masala.
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Der Militärexperte und Politikwissenschaftler Carlo Masala hat die Politik aufgefordert, den Menschen offen zu sagen, dass die Verteidigung der Sicherheit Europas den Wohlstand verringern wird.

Der Militärexperte und Politikwissenschaftler Carlo Masala hat die Politik aufgefordert, den Menschen offen zu sagen, dass die Verteidigung der Sicherheit Europas den Wohlstand verringern wird. Masala sagte am Donnerstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", es werde viel über die Energiepreise, die Gasumlage und ähnliche Fragen diskutiert. Die Politik reagiere auf die aktuellen Entwicklungen, versäume es aber, klare Zielvorstellungen für die Zeit nach dem Krieg zu definieren. Der Professor der Bundeswehrhochschule mahnte zudem mehr Mut der politisch Verantwortlichen an. Er sagte: "Da muss man sich hinstellen und der Bevölkerung sagen, dass es die Sicherheit Europas erfordert, dass wir jetzt temporär oder – wegen der Unabhängigkeit vom Gas – dauerhaft Wohlstandsverluste hinnehmen." Für den Winter erwartet Masala, dass die westlichen Unterstützer der Ukraine große Anstrengungen unternehmen müssen, um die Folgen der Kälte für die Zivilbevölkerung in der Ukraine abzumildern.

Prof. Dr. Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München
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Dr. Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Bundeswehruniversität München. 

Die Angriffe der ukrainischen Truppen im Süden des Landes sind nach Masalas Einschätzung nicht die angekündigte Großoffensive. Die Ukrainer nutzten aber Schwächen der Russen konsequent aus. In den kommenden Tagen werde sich zeigen, welchen Erfolg die Bemühungen der Ukrainer gehabt hätten, Munitionsnachschub und Logistik des Gegners mit gezielten Angriffen zu stören. Es gebe aber viele Unbekannte, die es schwierig machten, die Lage sicher einzuschätzen.

Von der Inspektion des Atomkraftwerks in Saporischschja erwartet Masala Aufklärung über den Zustand des riesigen Reaktorkomplexes und die von ihm ausgehenden Gefahren. Ambivalent zeigte er sich gegenüber Plänen, eine dauerhafte Mission der Internationalen Atomenergiebehörde in der Anlage einzurichten. "Eine permanente Präsenz würde die Kampfhandlungen erheblich herunterfahren, aber die russische Besetzung des AKWs letzten Endes stabilisieren", sagte Masala. Beiden Kriegsparteien sei bewusst, dass es ein Tabubruch wäre, wenn durch die Kriegshandlungen Radioaktivität freigesetzt würde. Mit Blick auf China sagte er: "Selbst Unterstützer der russischen Föderation wollen nicht, dass die Situation eskaliert."

rw