Podcast "Ukraine – die Lage" Militärexperte Mölling sieht "Discounter-Ansatz" für Ukraine-Hilfe gescheitert

Ukrainische Soldaten auf einem T-64-Panzer während einer Übung in der Region Kiew, Ukraine
Soldaten der Ukraine auf einem T-64-Panzer während einer Übung in der Region Kiew (Archivbild)
© Genya Savilov / AFP
Der Westen ist nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling mit dem Versuch gescheitert, der Ukraine mit einer begrenzten Unterstützung zum militärischen Sieg über die russischen Invasoren zu verhelfen.

Der Westen ist nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling mit dem Versuch gescheitert, der Ukraine mit einer begrenzten Unterstützung zum militärischen Sieg über die russischen Invasoren zu verhelfen. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", die im Sommer begonnene Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte habe zwar hier und da Fortschritte gebracht, aber entscheidende Vorstöße – etwa zum Asowschen Meer – seien nicht gelungen. "Der große Wurf ist es nicht gewesen", sagte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Ursachen hierfür lägen auch in der zögerlichen Haltung des Westens, die die Ukraine nur "mit angezogener Handbremse" unterstützt habe. "Da fällt der Blick zurück auf uns, weil wir gedacht haben, dass wir es mit einem Discounter-Ansatz vielleicht dann doch irgendwie hinkriegen", sagte er. Das sei ein Irrtum gewesen: "Mit dem bisherigen Ansatz, den der Westen gefahren hat in der Unterstützung der Ukraine, werden wir es nicht hinkriegen."

Ukrainische Gegenoffensive "kein großer Wurf"

Erforderlich seien nicht nur größere Mengen an Waffen und Material, sondern auch eine bessere Ausbildung der ukrainischen Soldaten. Mölling erwartete, dass die russischen Streitkräfte den kommenden Winter nutzen werden, um sich tiefer einzugraben. Er erläuterte, dass die Russen ihre Fähigkeiten verbessert hätten, beschädigtes Material zu reparieren und zu ersetzen. Zugleich schickten sie weiter rücksichtslos eigene Soldaten in den Tod. "Das hat nichts mit Kriegsgeschick zu tun", betonte er. "Sie sind brachial". Dem zu begegnen, sei deutlich schwieriger, als zu Beginn der Gegenoffensive angenommen.

"Die Ukrainer haben am Anfang gedacht, sie gehen ins schwere Gefecht", sagte Mölling. Das habe sich aber als falsch herausgestellt. Kleine Trupps hätten sich mühsam vorarbeiten müssen. Auch wenn die ukrainischen Soldaten sich gut auf diese Herausforderung eingestellt hätten, seien so große Durchbrüche nicht möglich gewesen.

Elena Ivanenko kämpft mit der Speerspitze der ukrainischen Truppen. Neben den sonst so gut durchdachten und gefassten Interviews gehört dieses Video zu den ehrlichsten Zeugnissen des Krieges.
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Ehrlicher Einblick in ein Leben im Krieg: Ukrainische Soldatin erleidet Nervenzusammenbruch

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"Gewöhnungseffekt" an den Krieg in der Ukraine

Mölling betonte, dass der Ausgang des Kriegs in der Ukraine auch für die Sicherheit in Westeuropa extrem wichtig sei. Es sei in unserem Interesse, die Ukraine zu stärken. Er beobachte aber, dass innenpolitische Themen wie die Migration oder die Lebenshaltungskosten in Deutschland zunehmend die Außenpolitik überlagerten. In anderen Ländern gebe es ähnliche Entwicklungen. Dieser "Gewöhnungseffekt" an den Krieg in der Ukraine habe bereits vor dem Terror der Hamas gegen Israel eingesetzt. Die Ukrainer stellten sich darauf ein, dass ihr Kampf weniger Aufmerksamkeit in den westlichen Gesellschaften bekommen werde. Sie bemühten sich etwa, für den Krieg so viel wie eben möglich selbst zu produzieren – auch wenn das kein Ausgleich für die erforderlichen Lieferungen der Partner sei.