Ukraine Verfassungskrise in Kiew

Nach der Auflösung des ukrainischen Parlaments durch Präsident Viktor Juschtschenko droht dem Land eine schwere Krise. Das Parlament hält das Auflösungsdekret für verfassungswidrig und will seine Arbeit fortsetzen.

Juschtschenkos Rivale und Ministerpräsident Viktor Janukowitsch forderte den Präsidenten auf, das Dekret zurückzunehmen. "Ich werde nicht laut über eine dritte Option reden", sagte Janukowitsch nach einer mitternächtlichen Kabinettssitzung, "dies würde die Spannungen nur noch deutlich verstärken." Näher äußerte er sich dazu nicht.

Verteidigungsminister Anatoli Hryzenko, einer der wenigen Anhänger Juschtschenkos im Kabinett, sagte, er und die Streitkräfte würden nur Befehle vom Präsidenten annehmen.

Beobachter schließen nicht aus, dass es zu Massendemonstrationen und Auseinandersetzungen von Anhängern Juschtschenkos und Janukowitschs kommen könnte. Experten diskutierten bereits, welche Sicherheitskräfte welche Seite unterstützen würden, sagte ein Analyst im Fernsehen. Dies sei eine gefährliche Logik. Die US-Regierung rief alle Politiker in der Ukraine auf, mäßigend auf ihre Anhänger einzuwirken und für Ruhe zu sorgen.

Machtkampf mit allen Mitteln

Präsident Juschtschenko ordnete für den 27. Mai vorgezogene Wahlen an. Die Entscheidung sei seine Pflicht gewesen, weil das von Janukowitschs Lager dominierte Parlament die Verfassung verletzt habe, sagte der Präsident in einer Fernsehansprache. In offensichtlicher Missachtung des Erlasses berief das Parlament eine Sondersitzung ein. Dabei verabschiedete es eine Resolution, nach der es seine Arbeit fortsetzen will und das Kabinett aufrief, dies ebenfalls zu tun.

Der westlich orientierte Juschtschenko liefert sich seit Monaten einen Machtkampf mit dem pro-russischen Ministerpräsidenten Janukowitsch. Der Streit hat sich nach einer Verfassungsreform verschärft, mit der die Vollmachten des Präsidenten beschnitten wurden. Juschtschenko, der im Zuge der "Orangenen Revolution" vor mehr als zwei Jahren ins Amt gekommen war, warf seinem Rivalen daraufhin vor, seine Mehrheit mit unrechtmäßigen Mitteln ausbauen zu wollen.

Reuters