Mehr als eine Woche nach Beginn seines Prozesses hat Radovan Karadzic erstmals an einer Anhörung vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag teilgenommen. Der frühere bosnisch-serbische Präsident warf den Richtern am Dienstag vor, sie hätten seine "fundamentalen Rechte" verletzt, als sie den Prozess ohne ihn begonnen hätten.
Karadzic war die ersten drei Tage des Verfahrens dem Gerichtssaal ferngeblieben. Er habe den Prozess nicht boykottieren wollen, sagte Karadzic, aber er könne nicht an etwas teilnehmen, das von Beginn an schlecht gewesen sei. Karadzic forderte die Richter dazu auf, den Prozess zu unterbrechen und ihm mehr Zeit für die Vorbereitung seiner Vereidigung zu geben. Er brauche dafür noch mehrere Monate. Andernfalls müsse er dem Prozess weiter fernbleiben, weil das Verfahren nicht fair wäre, erklärte Karadzic.
Ankläger deuten Kompromiss an
Der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon widersprach Karadzic. Er habe genug Zeit für die Vorbereitung bekommen. Zudem sei es Sache des Gerichtes und nicht des Angeklagten zu entscheiden, wann ein Verfahren reif für die Eröffnung eines Prozesses ist.
Die Anklagevertretung appellierte an das Gericht, Karadzic' Forderungen nicht zu erfüllen. Zugleich bot die deutsche Staatsanwältin Hildegard Uertz-Retzlaff einen Kompromiss an. Falls Karadzic am Prozess teilnehmen und mit seiner Verteidigung beginnen würde, könne ihm erlaubt werden, später mehr Zeit in Anspruch zu nehmen und zusätzliche Argumente vorzubringen.
Sollte er dazu nicht bereit sein, müsse das Gericht ihm das Recht aberkennen, sich selbst zu verteidigen und einen Pflichtanwalt einsetzen. Dann könne der Prozess auch ohne den Angeklagten weitergehen.
Der 64-Jährige wurde bereits 1995 angeklagt und sitzt seit 14 Monaten in Haft. Karadzic sieht sich mit elf Anklagen konfrontiert, darunter zweien wegen Völkermordes. Er hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Er wird unter anderem für das Massaker von Srebrenica verantwortlich gemacht, dem im Juli 1995 rund 8000 muslimische Männer und Jungen zum Opfer fielen. Wegen dieses Verbrechens wird auch der damalige bosnisch-serbische General Ratko Mladic noch gesucht.