Bei den Feiern zum 60. Jahrestag der Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft hat der indische Regierungschef Manmohan Singh den Kampf gegen die Armut in den Mittelpunkt seiner Rede gerückt. "Gandhis Traum von einem freien Indien wird erst dann umfassend erfüllt sein, wenn wir die Armut aus unserer Mitte verbannt haben", sagte Singh. Das Problem der Unterernährung in seinem Lande sei "eine nationale Schande".
"Das beste kommt noch"
Indien dürfe nicht zu einer Nation mit Wachstumsinseln und weiten Regionen ohne jede Entwicklung werden, mahnte der Ministerpräsident vor mehreren tausend Teilnehmern einer Feierstunde zum Unabhängigkeitstag. Deshalb müsse der Lebensstandard der Landbevölkerung gehoben werden. Von großer Bedeutung sei auch eine bessere Förderung der Schulen auf dem Land. Für jeden einzelnen und das gesamte Land "kommt das Beste noch", sagte Singh.
Singh versicherte den 1,1 Milliarden Indern in seiner Rede an die Nation, seine seit drei Jahren amtierende Regierung werde neue Initiativen in den Bereichen Gesundheit, Erziehung, Gesundheitswesen, Umwelt und Landwirtschaft ergreifen. Er wies auf die Tatsache hin, dass die Früchte der schnell fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung nur relativ wenigen Menschen zugute kämen. Armut, Krankheiten und Arbeitslosigkeit hätten noch immer bedrohliche Ausmaße.
Strenge Sicherheitsvorkehrungen
Die Feierstunde fand zwischen den historischen Festungsmauern des Roten Forts statt, das von den Mogulen erbaut wurde. Diese regierten Indien vor der Ankunft der britischen Kolonialherren. Mit keinem Wort erwähnte Singh das Nachbarland Pakistan, das den Jahrestag bereits am Dienstag beging. Im indischen Teil Kaschmirs wurde der Mobilfunkbetrieb unterbrochen, um die regelmäßig am Unabhängigkeitstag ausbrechende Gewalt zu verhindern. Unter der muslimischen Bevölkerung in Kaschmir herrscht eine starke anti-indische Stimmung, die Region ist zwischen Indien und Pakistan umstritten.
Die Feierlichkeiten fanden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Allein in der Hauptstadt waren 70.000 Sicherheitskräfte aufgeboten, um Anschläge zu verhindern. Während der Ansprache Singhs hinter einem Schirm aus schusssicherem Glas sicherten Scharfschützen auf den Dächern der umliegenden Gebäude das Zeremoniell.
Queen gratulierte
Vor dem Hintergrund massiver innenpolitischer Probleme hatte das Nachbarland Pakistan bereits am Dienstag seinen 60. Unabhängigkeitstag gefeiert. Indien und Pakistan waren am 15. August 1947 um Mitternacht von Großbritannien aus der Kolonialherrschaft entlassen worden. Seitdem haben die Nachbarn drei Kriege gegeneinander geführt, zwei davon um die geteilte Region Kaschmir. Im Rahmen ihrer Friedensverhandlungen, die Indien und Pakistan Anfang 2004 aufgenommen haben, tauschten die Atommächte anlässlich der Unabhängigkeitsfeiern Gefangene aus.
Königin Elizabeth II. und der britische Premierminister Gordon Brown als Vertreter der früheren Kolonialmacht gratulierten Indien zum 60. Jahrestag der Unabhängigkeit. Die Queen übermittelte Staatpräsidentin Pratibha Patil die besten Wünsche. Brown erklärte in einem Schreiben an Singh, die Geschichte, Werte und Hoffnungen beider Staaten seien eng und dauerhaft miteinander verbunden.