US-Geheimdienste Methoden wie zu Jerry Cottons Zeiten

Computer als Rarität, Management ohne Weitblick: Der Untersuchungsausschuss zu den Anschlägen vom 11. September hat derart viele Mängel beim FBI aufgedeckt, dass Washington sich zu drastischen Reformen gezwungen sieht.

Als Jerry Cotton seine Karriere als New Yorker FBI-Agent in einer Heftchenserie begann, konnte er von Computertechnologie nur träumen. Das war Mitte der fünfziger Jahre. Oder war es in den Neunzigern? Der Untersuchungsausschuss zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat bei seinen jüngsten Anhörungen so viele gravierende Mängel und Fehler bei der einst legendären US-Bundespolizei im Vorfeld der Terrorattacken aufgedeckt, dass einem Mitglied des Gremiums nach eigenen Angaben "geradezu die Haare zu Berge standen".

Dazu gehört die erstaunliche Tatsache, dass Computer und damit elektronische Datenbanken und E-Mails noch wenige Jahre vor der Anschlägen in der Behörde eine Rarität waren - nicht nur wegen Geldmangels, sondern auch auf Grund einer ausgeprägten Technologiefeindlichkeit in den oberen Etagen. Da verfügte George Nader alias Cotton mit seinem roten Jaguar und seiner neuen Sig Sauer 226 gemessen an seiner Zeit über eine Spitzenausrüstung, und er war motiviert, wachsam, schlau und vor allem: erfolgreich.

Vernichtendes Urteil

Wie eine Dutzende Punkte lange Anklageschrift lesen sich die Zwischenberichte der Untersuchungskommission über das FBI, aber auch über seinen Jahrzehnte langen Rivalen CIA. Dem Geheimdienst werden im Kern dieselben Versäumnisse angelastet: Einzelne Hinweise auf Terroranschläge in den USA wurden nicht in ihrer Bedeutung erfasst, geschweige denn miteinander verknüpft, und Daten auf Grund des traditionellen Spannungsverhältnisses zwischen Strafverfolgung und dem Sammeln von Informationen nicht ausgetauscht. Das vernichtende Urteil: Wären diese Fehler nicht passiert, hätte die Verschwörung vom 11. September aufgedeckt werden können.

Der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh und CIA-Direktor George Tenet führten die Versäumnisse vor dem Ausschuss im Wesentlichen auf einen Mangel an Ressourcen - Geld und Personal - zurück. Und zumindest teilweise, so räumen Geheimdienstexperten ein, trifft das auch zu: Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde der Spionage schlicht nicht mehr die Bedeutung eingeräumt, die sie einmal hatte.

Aber folgt man den Ausschussuntersuchungen, ist das Versagen zum größten Teil auf "Systemfehler" zurückzuführen: einem Mikromanagement ohne jeden strategischen Weitblick, Undurchlässigkeit von Informationen "im eigenen Laden" und Kommunikationsbarrieren, die nicht nur auf gesetzlichen Beschränkungen, sondern auch auf der traditionellen Rivalität zwischen den "Spooks" (den "zwielichtigen" Spionen) und "Suits" (FBI-Beamten in feinen Anzügen) beruhten.

Lange Pannen-Vorgeschichte

Tatsächlich haben beide Behörden eine lange Pannen-Vorgeschichte, die die CIA schon einmal an den Rand einer Zerschlagung in zwei Einzelbehörden brachte. Vom Schweinebucht-Debakel 1961 auf Kuba über die Iran-Contra-Affäre von 1986 in Nicaragua, der irrtümlichen Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad 1999 wegen einer veralteten Straßenkarte bis hin zu den zweifelhaften Informationen über Massenvernichtungswaffen im Irak: Das Sündenregister der CIA ist beachtlich. Zu den größten Peinlichkeiten beim FBI gehört, dass 15 Jahre lang einer seiner Spitzenagenten unentdeckt für Moskau hatte spionieren können.

Vor dem Hintergrund all dieser Skandale wird jetzt erwogen, dem FBI die Zuständigkeit für das Sammeln geheimdienstlicher Informationen in den USA zu entziehen und eine eigenständige Behörde nach dem Muster der britischen Geheimpolizei MI-5 zu schaffen. So weit mag es nicht kommen, aber US-Präsident George W. Bush selbst hat inzwischen klar gemacht, dass er drastische Reformen der Sicherheitsdienste will. Und das wird er umsetzen, schon deshalb, weil er selbst wegen angeblicher Missachtung von Warnungen vor dem 11. September ins Kreuzfeuer geraten ist.

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Gabriele Chwallek/DPA