Eigentlich ist die erste Kongresssitzung nach der Wahl des US-Präsidenten wie der erste Schultag: Alle gehen hin, melden sich zum Dienst, klopfen sich freundlich auf die Schulter und kurz darauf ist alles wieder vorbei. Die erste Sitzung nach der Wahl Barack Obamas an diesem Dienstag, 12 Uhr Ortszeit, wird jedoch überschattet von einem Streit über zwei Personalien und ein gewaltiges Konjunkturpaket.
Im US-Kongress werden die Gesetze der Vereinigten Staaten gemacht, er setzt sich zusammen aus dem Repräsentantenhaus, vergleichbar mit dem Bundestag, sowie dem Senat, in den die Bundesstaaten je zwei Senatoren entsenden. Die Machtverhältnisse im Capitol, dem Sitz des Kongresses, sind ziemlich eindeutig: Im Parlament verfügen die Demokraten über eine Mehrheit von 257 zu 178 Sitzen. Auch bei den 100 Männern und Frauen im Senat führen die Demokraten klar. Allerdings gibt es noch zwei Wackelkandidaten - beide auf Seiten der demokratischen Partei.
Ein Komiker als Senator
Zum einen den als Satiriker bekannten Al Franken aus Minnesota. Er hat die dortige Senatswahl am 4. November gewonnen, was aber erst jetzt offiziell bekanntgegeben wurde. Sein Konkurrent, der Republikaner Norm Coleman, hatte nach der ersten Auszählung vorne gelegen und eine Nachzählung eingefordert. Die sei zu Gunsten von Franken ausgefallen, teilte die staatliche Wahlbehörde mit, der Vorsprung beträgt gerade einmal 225 Stimmen. Nun will Coleman das Ergebnis gerichtlich anfechten. Scheitert er damit, hätten die Demokraten inklusive zwei für sie stimmende Unabhängige 59 Sitze, die Republikaner 41. An der demokratischen Mehrheit würde sich freilich nichts ändern, wenn Komiker Franken seinen Posten räumen müsste.
Für deutlich mehr Unmut sorgt die Nominierung von Roland Burris. Der 71-Jährige war vor rund 30 Jahren der erste Schwarze in einem wichtigen politischen Amt, später Justizminister in Illinois, dem Heimatstaat des künftigen Präsidenten. Der Demokrat Burris soll nun nach Willen des Gouverneurs Rod Blagojevich den freigewordenen Senatssitz von Barack Obama übernehmen. Problem: Rod Blagojevich steht unter schwerem Korruptionsverdacht und soll vorgehabt haben, den Senatsposten meistbietend zu verscherbeln.
Nun steht es Blagojevich rechtlich frei, den Sitz im Capitol zu besetzen, doch die demokratische Senatsführung hatte bereits angekündigt keinen seiner vorgeschlagenen Kandidaten zu akzeptieren. Selbst dem makellosen Burris nicht, der allen Widerständen zum Trotz zur konstituierenden Sitzung erscheinen will. Das Vorgehen des Noch-Gouverneurs, dem ein Amtsenthebungsverfahren und ein Strafprozess drohen, hat die demokratische Partei derartig erzürnt, dass deren Senatoren sogar jüngst beschlossen hatten, dem Kandidaten keine Spesen für Büro und Mitarbeiter zu gewähren.
Ebenfalls kniffelig, wenngleich von erheblich größerer Bedeutung ist die Abstimmung über das geplante Konjunkturpaket. Der bald vereidigte US-Präsident Obama hat erneut mit führenden Kongressmitgliedern beider Parteien über die Wirtschaftshilfe beraten und dabei zu einem raschen und "kühnen" Konjunkturprogramm aufgerufen. "Die Wirtschaft ist krank, die Lage wird schlechter", sagte er. Auch die nächsten Arbeitsmarktzahlen würden trübe ausfallen. Das rettende Paket soll einen Umfang von bis zu 775 Milliarden Dollar, umgerechnet rund 570 Milliarden Euro haben. Ein Teil davon seien Steuererleichterungen in Höhe von 300 Milliarden Dollar, die dem Mittelstand und Unternehmen zugute kommen.
Auch Demokraten besorgt über Paketumfang
Mit diesen Milliarden will Obama seinen Plan auch den Republikanern schmackhaft machen. Viele von ihnen, aber auch moderate Demokraten, sind angesichts des riesigen Umfangs besorgt über die weitere Belastung für den Haushalt und fordern eine gründliche Beratung. "Das ist kein Paket, das jemals von der jetzigen Generation bezahlt werden kann", sagte der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, John Boehner. "Unsere Kinder und Enkel werden dafür bezahlen." Zudem sollen innerhalb von zwei Jahren drei Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen oder bestehende Jobs gesichert werden. Der Löwenanteil des Programms sei für Infrastrukturmaßnahmen wie etwa den Bau von Straßen und Brücken geplant.
Zwar dringt Obama darauf, dass ihm ein entsprechendes unterschriftsreifes Gesetz möglichst bald nach seiner Amtsübernahme am 20. Januar vorliegt, vermutlich wird es wegen des Gesprächbedarfs aber erst Mitte Februar vom Kongress verabschiedet. Angesichts der drängenden Konjunkturprobleme hat der Präsident in spe beide Lager zur Zusammenarbeit aufgerufen. Die Wirtschaftskrise gehe nicht nur Demokraten oder Republikaner an, sondern sei "ein amerikanisches Problem", so Obama.