US-Wahlen "Selbst Spielautomaten sind sicherer als Wahlcomputer"

  • von Katja Gloger
Bei den US-Präsidentschaftswahlen fürchten Experten ein Desaster wegen des Wirrwarrs aus Wahlmaschinen und unterschiedlichen Regelungen. Bürgerechtlicher wittern einen HighTech-Wahlbetrug.

Vor gut einem Jahr saß Linda Schade an einem milden Spätsommerabend mit Freunden im Garten. Damals hörte die Umweltaktivistin aus einem Vorort von Washington, dass die brandneuen Wahlcomputer ihres Bundesstaates Maryland von Experten überprüft worden waren. Man hatte sie als "unsicher" eingestuft, vor allem wegen technischer Pannen. "Wie sollen wir wissen, ob unsere Stimme wirklich korrekt gezählt wird?" fragte sich Linda Schade, gründete die "Initiative für überprüfbares Wählen" und zog vor Gericht.

"Alle hatten Sicherheitsbedenken"

Sie würde für ein Stück Papier kämpfen – für ein Stück Demokratie. Ihre einfache Forderung: für jede abgegebene Computer-Stimme soll ein Kontrollausdruck auf Papier erstellt werden. Damit könnten im Zweifel Stimmen per Hand nachgezählt werden. Ihre Klage wurde abgewiesen – die neue Technik sei einwandfrei, hieß es. "Dabei wurden die Wahlcomputer dreimal von verschiedenen Fachleuten untersucht. Alle hatten Sicherheitsbedenken. Es ist heute sicherer, ein Buch im Internet zu kaufen als den Präsidenten der USA zu wählen", sagt Linda Schade, und dabei ist ihr gar nicht nach Lachen zumute.

Denn rasch stellte sich heraus: Hacker können die Computer manipulieren, Software streikt, Stimmen gehen im elektronischen Nirwana verloren. "Selbst Spielautomaten in Las Vegas genügen höheren Sicherheitsstandards als diese Computer", meint der Informatik-Professor David Dill von der renommierten Stanford-Universität. "Sie haben hunderte Stellen, an denen sie verwundbar sind." Dills Sorge gilt dabei weniger Wahlbetrügern oder Hackern als der Frage, ob ein knappes Wahlergebnis verlässlich überprüft werden könnte. "Im Moment können wir noch nicht einmal beantworten, ob die Maschinen richtig gezählt haben. Ein knappes Wahlergebnis wäre ein Albtraum für Amerika."

Schon jetzt häufen sich die Beschwerden. So erreichte bei einer Nachwahl zum Senat in diesem Frühjahr in Florida die Siegerin laut Computer eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Eigentlich hätte daraufhin eine Handauszählung der Stimmen erfolgen müssen. Das aber war nicht möglich, die Wahlmaschinen speichern die Stimmen elektronisch, Kontrollausdrucke sind in Florida nicht vorgesehen. Das Nachzählen per Hand ist in Florida sogar per Gesetz verboten.

Fehler, Pannen, Zweifelhaftes

Bei einem Test in einem anderen Wahlkreis Floridas brach gleich das gesamte Computersystem zusammen – offenbar aufgrund von Elektrizitätsproblemen nach den Hurrikans der vergangenen Wochen. In Indiana kam es zu wundersamer Stimmenvermehrung, als 5352 Wähler ingesamt 144.000 Stimmen abgaben. Im Bundesstaat Virginia wiederum schaffte es die Software, Stimmen abzuziehen anstatt zu addieren. Einzelfälle? Auf 51 eng beschriebenen Seiten listet die Bürgerbewegung "Überprüftes Wählen" (www.verifiedvoting.org) Fehler, Pannen, Zweifelhaftes auf.

Lesen Sie morgen, wie sich John F. Kerry und George W. Bush für ein knappes Ergebnis wie vor vier Jahren wappnen und warum das Capitol am Potomac mit der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang verglichen wird.