Václav Havel Ein Popstar der Politik wird 70

Auch wenn die Befürwortung des Irakkrieges an seinem Image als Pazifist gekratzt hat: Václav Havel hat mit seinen politischen Visionen als tschechischer Präsident mit den Grundstein für das heutige Europa gelegt. Donnerstag wird er 70 Jahre alt.

Er schimpft vor laufenden Kameras auf Russlands Präsident Wladimir Putin, meditiert hinter der Bühne mit US-Popstar Madonna und füllt während der Prager Buchmesse die größten Säle: Der tschechische Ex-Präsident Vaclav Havel ist mehr als drei Jahre nach seinem Abgang von der politischen Bühne weiter öffentlich aktiv. Der Dramatiker, der heute 70 Jahre alt wird, gilt wie der Pole Lech Walesa und der Ungar Arpad Göncz als Symbolfigur der Wende von 1989 in Osteuropa. Er selbst sieht dies gelassener: "Ich war ein Träumer und zugleich viel realistischer als die meisten Mitbürger", bilanzierte Havel einmal.

Comeback als Autor

Erst im Mai feierte der gebürtige Prager nach 15 Jahren ein erfolgreiches Comeback als Autor. Sein collagenhaftes Buch "Prosim strucne" ("Bitte kurz fassen"), das bald auch in Deutschland erscheinen soll, schaffte es in nur drei Wochen auf Platz eins der tschechischen Verkaufsliste. Die etwa 250 Seiten bieten Tagebuch- Auszüge, Reflexionen über seine Zeit als Staatsoberhaupt (1989-2003) und ein umfangreiches Interview. Zuvor hatte Havel seit 1991 in Tschechien nur Bücher mit seinen Präsidentenreden neu herausgegeben.

"Die Schriftstellerei ist eine einsame Tätigkeit, und es ist paradox, dass gerade ich mich ihr widme", hatte er bereits 1981 seiner Frau Olga aus dem Gefängnis geschrieben. Wegen seiner Kritik am sozialistischen Regime war er wiederholt in Haft. Früh bekam der am 5. Oktober 1936 geborene Havel die Macht des Staates zu spüren. Der Sohn eines Bauunternehmers durfte "wegen bürgerlicher Herkunft" nicht studieren und musste stattdessen Hilfsarbeiten verrichten. Er ging trotzdem nicht ins Exil, sondern gehörte 1977 zu den Gründern der Demokratie-Bewegung "Charta 77" und war im November 1989 treibende Kraft der als "Samtene Revolution" bezeichneten Wende.

Bereits 1990 hatte er die Grundzüge seiner Politik erläutert, die sich nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt im Februar 2003 nicht geändert haben: Innenpolitisch wollte er die Entwicklung einer verantwortungsvollen "Bürgergesellschaft" vorantreiben helfen, außenpolitisch sein Land aus dem mitteleuropäischen "Machtvakuum" führen. Mit seiner Unterstützung für den Nato-Angriff auf Serbien 1999 sowie den US-geführten Krieg gegen den Irak 2003 irritierte er viele, die den Philosophen nur als "guten Menschen von Prag" sahen. Sich als Pazifist für diese Waffengänge auszusprechen, sei möglich, argumentierte Havel: "Diktatoren darf man nicht einfach zuschauen."

Höhen und Tiefen

Auch privat kennt Havel Höhen und Tiefen. Der einstige Kettenraucher erkrankte an Lungenkrebs, vor zehn Jahren wurde ihm Ende 1996 der halbe Lungenflügel entfernt. Seither hat er chronische Atemwegprobleme, die er mit häufigen Aufenthalten am Mittelmeer lindert. Das exzessive Rauchen hat Havel längst aufgegeben. Mehr noch: Einer Anekdote zufolge versteigerte er nach erfolgreicher Krebsbehandlung seinen Präsidenten-Aschenbecher für wohltätige Zwecke.

Seinen 70. Geburtstag begeht Havel, der seit 1997 mit der Schauspielerin Dagmar Veskrnova verheiratet ist, als renommierter Autor und international geachteter Politiker "tschecho-slowakisch": Der Jubilar will zunächst in Prag in einer ehemaligen Kirche feiern, die seine Stiftung "Vize 97" aufwendig renovieren ließ, und danach zu Theaterfreunden nach Bratislava reisen. Als Dramatiker wurde er mehrfach international ausgezeichnet. So findet in Berlin auch am Freitag und Samstag ein Kulturfestival statt. Damit soll daran erinnert werden, dass Deutschland für den Dramatiker Havel seinerzeit ein Sprungbrett auf die Bühnen in aller Welt gewesen ist. Mitte der 60er bis Ende der 80er Jahre erlebten seine Stücke hier zu Lande zahlreiche Inszenierungen.

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Wolfgang Jung/DPA