England ist empört. Nein, das sei kein Anlass zu ungezügelter Heiterkeit, ließ ein Radiohörer die BBC-Moderatoren einer Frühstückssendung wissen. Die Wettervorhersage sei schließlich eine Wissenschaft, und wie Wissenschaftler ihre Arbeit so spektakulär falsch machen könnten, verlange nach ordentlicher Aufklärung und nicht nach ironischen Kommentaren.
Cornelia Fuchs
London ist der Nabel der Welt und Europa immer noch "der Kontinent". stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs beschreibt in ihrer wöchentlichen stern.de-Kolumne das Leben zwischen Canary Wharf und Buckingham Palace, zwischen Downing Street und Notting Hill.
Landesweite Vorfreude
Hunderttausende Briten haben, wenn man den Zahlen glauben mag, ihrem Wetteramt vertraut, das im April diesen überaus optimistischen Ausblick veröffentlichte: "Der diesjährige Sommer hat große Chancen, ein richtiger Barbecue-Sommer zu werden. Die Temperaturen im ganzen Land werden wahrscheinlich wärmer als im Durchschnitt und Regenfälle nahe oder unterhalb des Durchschnitts sein."
Es folgte ein wahrer Sturm auf schottische Campingplätze und Ferienhäuser in Cornwall, die bis zu 40 Prozent mehr Buchungen verzeichneten. Zwischen Rezession und Schweinegrippe klammerten sich die Engländer, Schotten und Waliser an die einzig gute Nachricht des Jahres: Die Sonne kommt mit Hitze, mit schmelzender Eiscreme an langen Sandstränden, lauen Lüftchen auf Wanderwegen, langen Abenden vor den Pubs. Wunderbar.
"Experimentelle" Vorhersagen
Dabei hätten sie es eigentlich wissen müssen, die Briten. Nicht umsonst ist doch das Wetter Konversationsthema Nummer eins auf der Insel. Denn es ist, ganz unwissenschaftlich gesprochen, ziemlich unvorhersehbar. Und das nicht nur in den Saisonvoraussagen, die sogar nach Aussagen der Wetteramts-Wissenschaftler als eher "experimentell" gelten, weil sie versuchen hunderttausend kleine Phänome über Monate zu deuten und zu einem Trend zu formen.
Wer zum Beispiel in London am Morgen im Radio hört, dass der Tag "hauptsächlich sonnig" sein wird, packt nach oft sehr nassen Erfahrungen besser einen Regenschirm ein. Wenn "Regen am späten Morgen" vorausgesagt wird, kann dies auch später Nachmittag heißen, wenn der Wind sich nach Ausstrahlung der Vorhersage doch wieder gedreht hat.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Schon 1954 schrieb die Zeitschrift der britischen Metereologen "Weather": "Am Ende eines Sommers, dessen Kälte und Nässe Cartoonisten und Nachrichten viel Erzählstoff gegeben hat, können wir nun feststellen, dass solche Sommer bereits vorher vorgekommen sind. Da wir stets am Ende der Atlantik-Winde liegen, ist das Wetter dieses Sommers nicht so ungewöhnlich, dass man dafür Atomexplosionen, UFOs oder Kondensationsstreifen von Flugzeugen verantwortlich machen sollte."
Doch die Hoffnung stirbt eben zuletzt, und daran hat auch das Wetteramt geglaubt - bis die Experten eben am Mittwoch angesichts eines durchnässten Landes doch so etwas wie eine Korrektur ihrer Voraussage veröffentlichten mussten: "Im April haben wir vorausgesagt, dass mit einer 65prozentigen Chance die Temperatur über und die Regenfälle unter dem Durchschnitt liegen dürften. Was aber eine 35prozentige Chance lässt, dass es anders kommt."
Vögel baden im Grill
Woran sich die Engländer nun vor allem stören, ist das Wort des "Barbecue-Sommers", das im April so unwissenschaftlich verlockend klang und ganz anders als die üblichen verschwurbelten Begriffe von "schwerer Wetterwarnung" und "milden Temperaturen", die man hier von seinen Metereologen gewohnt ist. Der "Barbecue-Sommer" klang ganz konkret nach dem Duft von gegrillten Würstchen und frisch gemähten Gras, von Pimm's-Bowle mit Erdbeeren und warmen Gläsern mit Ale.
"Dave? Was ist mit dem Barbecue-Sommer passiert?", fragt die Kolumnistin Caitlin Moran den Metereologen Dave Britton, der die berüchtigte Pressemeldung herausgegeben hat. Seine Antwort: Das Wetter beim Tennis-Turnier in Wimbledon war doch gut. "Dave, wir hatten also zwei Barbecue-Wochen?", schreibt sie weiter. "Ich habe einen Grill gekauft, nachdem ich mit Dir gesprochen habe im April. Einen teuren, roten. Er steht jetzt im Garten, vollgelaufen mit Regenwasser, und die Vögel baden darin."
Neue Vorsicht beim Wetteramt
Dave und das Wetteramt rechtfertigen sich damit, dass bisher, trotz Regens, die Temperaturen immer noch 0,5 Grad Celsius über dem Durchschnitt liegen, und ansonsten gelte: "Saison-Vorhersagen sind noch eine neue Wissenschaft."
Und was passiert jetzt? Was sollen die Camper in Devon machen, deren Wohnwagen inzwischen in kleinen Seen stehen? Die Familien in Südwales, wo das Wetter zwischenzeitlich so schlecht war, dass noch nicht einmal die Kirmes ihre Toren öffnete?
Dave vom Wetteramt ist inzwischen vorsichtig geworden, wie Caitlin Moran schreibt. Auf ihre Frage, wie es denn im August aussehe, sagt er: "Lassen Sie es mich so sagen: Ich habe meinen Grill in den Schuppen gestellt. Er soll nicht noch mehr Roststellen ansetzen."