Am Donnerstag, den 19. April 2018 jährt sich der Tag des jüdischen Aufstands im Warschauer Ghetto zum 75. Mal. Auch wenn der Aufstand mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegt, ist ein Blick in die Vergangenheit aktuell wohl notwendiger denn je.
Zur Zeit des Aufstands herrschten in Warschau die Nazis. Die jüdische Bevölkerung wurde öffentlich erkenntlich gemacht, ihre Geschäfte gekennzeichnet. 1940 richteten die Nazis im Westen der Stadt den "Jüdische Wohnbezirk in Warschau" ein, der als Warschauer Ghetto bekannt wurde.
Dort lebten fast 400.000 Menschen auf einer Fläche von rund drei Quadratkilometern. Die Zustände waren menschenunwürdig. Viele starben am Hungertod, andere an Infektionen und Krankheiten. Ab 1942 leiteten die Nazis die von ihnen sogenannte "Endlösung der Judenfrage" ein. Pro Tag wurden etwa 12.000 Menschen in die Vernichtungslager deportiert. Als den vielen organisierten Gruppen im Ghetto dämmerte, dass die Deutschen eine Massenvernichtung vorantreiben, formierte sich der Widerstand. Die Juden setzten sich zur Wehr.
Das Warschauer Ghetto wehrt sich
Im Sommer 1942 wurde die Jüdische Kampforganisation (ZOB) gebildet, angeführt von Mordechai Anielewicz. Den verschiedenen Untergrundorganisationen gelang es, sich zu vereinen. Sie leisteten Aufklärungsarbeit über die Deportation, organisierten Waffen. Zu diesem Zeitpunkt war die schubweise Deportation bereits weit vorangeschritten. Am 18. April 1943, als die Deutschen zwecks einer erneuten Deportation ins Ghetto kamen, stießen sie auf einen ersten bewaffneten Widerstand der Kampforganisation. Obwohl mehrere tausend Menschen ihr Leben ließen, bereiteten sich die Ghetto-Bewohner auf die nächste Deportation vor und organisierten weitere Waffen. Am 19. April begann dann der eigentliche Aufstand, als erneut SS-Verbände ins Ghetto einrückten. Die Deutschen mussten sich zunächst dem Widerstand ergeben, die Deportations-Wagons blieben leer.
Aufstandsende besiegelt Schicksal der polnischen Juden
Auf den Beginn des Aufstandes folgten heftige Straßenkämpfe zwischen deutschen Soldaten und den jüdischen Kämpfern. Doch am Ende reichte es nicht, die deutsche Besatzungsmacht zerschlug den Aufstand, räucherte die versteckten Zivilisten aus und tötete insgesamt mehr als 13.000 Menschen. Die Überlebenden wurden in das Vernichtungslager Treblinka gesteckt. Am 16. Mai sprengte der SS-Brigadeführer Jürgen Stroop die Große Synagoge im Ghetto und besiegelte damit das Ende der jüdischen Bevölkerung in Polen. Der mutige Aufstand um Mordechai Anielewicz und Marek Edelman endete, dennoch bleibt er in Erinnerung. Die Fassade der übermächtigen Deutschen begann zu bröckeln, die mutige Aktion der Ghetto-Bewohner geht als Symbol des jüdischen Widerstands in die Geschichte ein. Der 2009 verstorbene Marek Edelman, einer der Initiatoren des Widerstands sagte einst:
"Denn zum ersten Mal werden die deutschen Pläne durchkreuzt. Zum ersten Mal bricht der Nimbus vom unantastbaren, allmächtigen Deutschen zusammen. Zum ersten Mal gewinnt die jüdische Bevölkerung die Überzeugung, es sei möglich, trotz der deutschen Stärke etwas gegen die Absichten der Deutschen zu unternehmen".
Gedenktag in Warschau beleuchtet auch aktuelle Probleme
Spätestens seit dem umstrittenen Holocaust-Gesetz in Polen, das Aussagen über Polens Mitschuld am Holocaust mit Gefängnis bestraft, ist das Thema schwierig. Israel bezeichnete den Entwurf als "Gesetzgebung des Vergessens". Auch in Deutschland sollte der 75. Jahrestag des Aufstands zum Nachdenken anregen. Antisemitisch motivierte Straftaten werden wieder vermehrt festgestellt, Politiker mahnen zur Besinnung.
Das Thema Antisemitismus polarisiert auch Jahrzehnte nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto immer noch. Auch medial bekommt die Problematik wieder eine Bühne, spätestens nach dem Vorfall in Berlin-Kreuzberg, als ein vermeintlich israelischer Passant mit einer Kippa auf offener Straße angegriffen wurde.
