Bundespräsident Christian Wulff lehnt den eher höfischen Umgang in seinem Amt ab, den die Vorgänger, unterstützt von eifrigen Protokollbeamten, dort praktiziert sehen wollten. Gerne marschiert er mittags in die Kantine des Präsidialamts und bedient sich selbst. Und trifft er sich mit Journalisten zum Hintergrundgespräch, erscheint vorneweg kein Protokollchef und ruft: "Meine Damen und Herren, der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland!" Eines darf aber auch Wulff künftig nicht: Einfach mal rüber zur Kanzlerin oder einem Minister gehen und politisch plaudern. Die Funktionsträger müssen weiterhin ins Schloss Bellevue kommen. Die präsidialen Sittenwächter machten ihm strikt klar, dass es nur so laufen könne. Wer staatlicher Funktionsträger sei, der müsse sich gefälligst zum Staatsoberhaupt begeben.
Das Argument der protokollarischen Sittenwächter: Schon ein Kanzler Konrad Adenauer habe sich seinerzeit stets zum Bundespräsidenten Theodor Heuss bemühen müssen. Umgekehrt sei es auch in Bonn nicht gegangen. Zwar lag dort nur ein gemeinsamer Park zwischen Präsidialamt und Kanzleramt. Aber die Tür im Zaun dazwischen ließ sich nur von der Kanzleramtsseite aus öffnen, nicht vom Präsidialamt.
Und manche Wünsche des fast noch jugendlichen Präsidenten Wulff lassen sich auch heute auf keinen Fall realisieren. Zu gerne wäre er am Sonntag nach Frankfurt gereist, wo sich der legendäre und von ihm bewunderte Fußballreporter Rolf Töpperwien (ZDF) nach 36 Jahren und 1444 Bundesliga-Spielen mit seinem 60. Geburtstag in den Ruhestand verabschiedete. Aus protokollarischen Gründen durfte Wulff nicht. Aber in einem sehr persönlichen Brief teilte er ihm mit, wie gerne er seit Jugendjahren per Fernsehen dabei gewesen sei, wenn Töpperwien die Kicker in der Spielerkabine in Manndeckung nahm. Etwa einen Mario Basler mit der Bemerkung: "Ich habe dich heute gut gesehen!" Antwort Baslers: "Da warst du aber der Einzige."
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Allenthalben wird die Bundeskanzlerin für frischen Angriffsgeist gelobt. Endlich sei Schluss mit der langweiligen Moderatorin der vergangenen zwölf Monate. Aber vielleicht steckt dahinter keine politische Neubesinnung, sondern eine Art Doping. Das Aufputschmittel wird in der Parlaments-Buchhandlung nahe dem Reichstag feilgeboten. Es heißt Parlamenthol und verspricht den "Frischekick für ihre Rede!" Der Werbespruch, der Merkel angelockt haben könnte, heißt: "Klingt die Rede leer und hohl, hilft dir schnell Parlamenthol." SPD-Chef Sigmar Gabriel braucht die Mentholbonbons nicht unbedingt. Aber er könnte sich in der Buchhandlung mit der Zitronenpresse "Angie" politisch aufrüsten, die dort auch noch feil geboten wird. Bei deren Benutzung hätte er die Kanzlerin endlich mal richtig in der Hand.
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Kaum jemand kennt die "Vereinigung Liberaler Männer in Deutschland" (LiMiD). Gegründet hatten sie vor bald zwei Jahrzehnten der damalige stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Weng und der noch heute im politischen Geschäft tätige Jörg van Essen, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagfraktion. Die FDP-Herren wollen mit ihrem bis heute existierenden eingetragenen Verein für die "Gleichbehandlung der Geschlechter" auch "im politischen Leben" eintreten. Ihre Satzung hat das maskuline Bündnis damals bei der bereits existierenden Bundesvereinigung "Liberale Frauen" abgeschrieben, allerdings mit einer Ausnahme: Bei LiMiD darf auch das andere Geschlecht mitmachen. Amtierender Vorsitzender ist derzeit Patrick Döring, niedersächsischer FDP-Bundestagsabgeordneter und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Diese Woche wird er den "Mann des Jahres" seiner Vereinigung küren: Elke Hoff, sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion aus Rheinland-Pfalz. Sie habe sich in vorbildlicher Weise um die Bundeswehr und die Belange ihrer Soldaten gekümmert. Döring: "Sie hat durch ihre Besuche der Truppe in Afghanistan immer ihren Mann gestanden."
Voriges Jahr war der LiMiD-Preis im übrigen an einen Mann gegangen, an Boris Petschulat, Referent für Wirtschaft in der FDP-Fraktion. Auch der hatte seinen Mann gestanden: Er nahm Vaterzeit für die Betreuung seiner Tochter. Als die Vereinigung gegründet wurde, hatten die FDP-Männer noch erklärt: "Ehe wir von politischen Amazonen an Küche, Kinder und Kirche gekettet werden, müssen wir uns in einem verzweifelten Akt der Selbstbehauptung zu einer Interessengemeinschaft zusammen schließen." Man glaubt es kaum: Die Gemeinnützigkeit des Vereins wurde vom Finanzamt anerkannt. Ein beachtlicher steuerpolitischer Erfolg der Liberalen.