Die Oppositionspartien forderten eine umfassende Aufklärung der Spitzelaffäre. "Es muss dazu eine öffentliche parlamentarische Behandlung gaben", betonte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast am Samstag. Dies forderte auch die FDP und verlangte eine Entschuldigung der Regierung. Nach Medienberichten hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) jahrelang nicht nur Journalisten beschattet, sondern seit Anfang der 80er Jahre auch Reporter angeworben und dafür bezahlt, Kollegen auszuspähen. Ziel war es demnach nicht nur, undichte Stellen im Geheimdienst zu finden. Es sollten offenbar auch missliebige Berichte verhindert, Informationen gestreut und Redaktionsinterna ermittelt werden. Unklar blieb zunächst, wer im BND den Auftrag dazu gab.
Kanzleramt soll abgesegnet haben
Während "Focus" meldete, der damalige Geheimdienstchef Hansjörg Geiger habe 1996 einen Spitzelauftrag erteilt, meldete die "Berliner Zeitung", der frühere BND-Direktor Volker Foertsch habe dies zwischen 1994 und 1998 gegen Geigers Willen veranlasst. Der damalige Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer habe dies im Kanzleramt abgesegnet.
In einer am Samstag veröffentlichten Pressemitteilung bestätigte Schmidbauer (CDU) , dass Geiger den Spitzeleinsatz eines Journalisten gegen Berufskollegen angeordnet hat. Demnach soll Geiger im Dezember 1996 verfügt haben, "dass ein Journalist von der Abteilung 5 eingesetzt wird, um Abflüsse aus dem BND zu klären". Das Bundeskanzleramt - Regierungschef war damals Helmut Kohl (CDU) - sei darüber nicht informiert gewesen. Die meisten kolportierten Einzelheiten zu der Affäre stammen aus einem geheimen Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium.
FDP und Grüne fordern jedoch öffentliche Aufklärung. "Skandalöse Vorgänge" dürften nicht hinter den Regeln der Geheimhaltung versteckt werden, meinte Künast. Parteichef Guido Westerwelle erklärte, wenn eine für die Auslandsaufklärung zuständige Organisation im Inland auf diese Weise tätig werde, dann müsse die Kontrolle verschärft werden. Mit solchen Bespitzelungen lege der BND die Axt an die Wurzeln der Pressefreiheit. Der Bundesvorstand der Liberalen forderte "umfassende und schonungslose Aufklärung".
"Dali", "Sommer" und "Bosch" spionierten Kollegen aus
In dem Schäfer-Bericht sollen fünf Journalisten genannt sein, die im Dienst des BND standen. "Focus" erwähnte davon drei: Ein Journalist mit den Decknamen "Dali" und "Schweiger" soll von August 1982 bis September 1998 856 Meldungen über Kollegen an den Geheimdienst gegeben und dafür 653.000 Mark (rund 335.000 Euro) kassiert haben. Er habe unter anderem über Journalisten von "Focus", "Spiegel", "Süddeutscher Zeitung" und "Hamburger Abendblatt" informiert.
Ein 2002 angeworbener Spitzel mit dem Decknamen "Sommer" soll unter anderem über die Tätigkeit eines Journalisten bei der "Berliner Zeitung" berichtet haben. Ein dritter Spitzel mit dem Decknamen "Bosch" habe dem Geheimdienst mehrmals Berichte über einen "Focus"-Reporter geliefert. Der BND-Kritiker und Buchautor Erich Schmidt-Eenboom, der selbst überwacht worden war, sei ebenfalls unter den Decknamen "März" und "Gladiator" beim BND erfasst gewesen, meldete "Focus" weiter. Schmidt-Eenboom habe erklärt, er habe niemals Informanten verraten. Doch habe er sich mit dem BND zuweilen auf "ein Katz- und Mausspiel eingelassen."

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Besonders interessiert an Redaktionsinterna
Laut "Spiegel" interessierte sich der BND auch für Redaktionsinterna wie Arbeitsverträge, Abfindungen und das Ausscheiden eines Journalisten. Die ostdeutsche Grünen-Abgeordnete Katrin Göring-Eckardt rief angesichts der Affäre DDR-Zeiten ins Gedächtnis: "Das erinnert natürlich an früher und widerspricht den Freiheitsrechten, für die wir 1989 auf die Straße gegangen sind", sagte sie in der "Thüringer Allgemeine".