Bundeskongress in Nürnberg Jusos lehnen Koalitionsvertrag ab

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte beim Bundeskongress des SPD-Nachwuchses einen schweren Stand: Die Jusos machten deutlich, was sie vom Koalitionsvertrag halten.

Im Eingang der ehemaligen Quelle-Zentrale in Nürnberg hängen noch einige Sprüche, mit denen der gescheiterte Versandhändler seine Mitarbeiter motivieren wollte. So liefen die Delegierten des Juso-Bundeskongresses am Samstag auch an einem Zitat des chinesischen Philosophen Laotse vorbei: "Wer sein Ziel kennt, findet den Weg." Doch beim Ziel sind sich der SPD-Nachwuchs und Parteichef Sigmar Gabriel gerade nicht einig. Während die Parteiführung eine Neuwahl für fatal und die Linke für nicht regierungsfähig hält, lehnen viele Jusos den Koalitionsvertrag mit der Union erbittert ab - und hoffen auf Rot-Rot-Grün.

Das Aufeinandertreffen vo Parteichef und junger Basis geriet denn in Nürnberg auch zum heftigen, emotionalen Schlagabtausch. Kuschelig war nur die Temperatur in der Halle.

Für Gabriel verlief das Wagnis, alle Mitglieder über den Eintritt in eine schwarz-rote Koalition abstimmen zu lassen, bisher glimpflich. Auf den SPD-Regionalkonferenzen gab es zwar heftige Debatten, doch die Zustimmung zum Vertrag überwog. Die Stimmung habe sich gedreht, verkündeten führende Genossen. Und auch die Beteiligung an der laufenden Briefwahl liegt bislang über allen Erwartungen.

Jusos hoffen auf Rot-Grün

Bei den Jusos jedoch stieß Gabriel auf breite Ablehnung. Schon als er den Saal betrat, reckten viele Delegierte Protestplakate in die Höhe: "Die Verteilungsgerechtigkeit ist wichtiger als die große Koalition." Auf Flyern fraß ein schwarzer CDU-Hai einen kleinen SPD-Fisch - es war das Symbol für die Hauptfurcht der Jungsozialisten: im Bündnis mit der Union ihre Werte zu verraten.

Gabriel hielt dagegen, im Koalitionsvertrag steckten Verbesserungen für Millionen Menschen - zum Beispiel durch den Mindestlohn. Die neu gewählte Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann entgegnete: "Aber wir haben immer gesagt: Wir stehen für einen echten Politikwechsel." Ein Delegierter nach dem anderen kritisierte den Koalitionsvertrag: zu wenig Umverteilung, zu viele Zugeständnisse an die Union, nicht links genug. "Es sind große Haare in der Suppe", kritisierte eine junge Gewerkschafterin.

Uekermann machte klipp und klar, dass Neuwahlen für sie kein Tabu sind - und sie auf ein linkes Bündnis mit Grünen und Linkspartei hofft. Gabriel erwiderte: "Die Hoffnung darf man als Jungsozialist haben, ich habe sie nicht." Die Linke sei nicht regierungsfähig. "Ich kann mir keinen Jungsozialisten vorstellen, der in eine Koalition mit einer Partei eintreten will, in der sich hinter dem alten DDR-Antizionismus immer noch ein guter Teil Antisemitismus verbirgt."

Stimmungslage bleibt unklar

Es war der Punkt, an dem die Debatte kurzzeitig entglitt. Aufgebrachte Jusos riefen Gabriel dazwischen. Der wollte sich nicht stören lassen: "Ihr wollt diskutieren mit dem Vorsitzenden der SPD. Und der sagt euch seine Meinung, ob die euch passt oder nicht."

Die Befürworter der Koalition blieben in der Minderheit. "Ich freue mich, wenn ich nach Hause komme und das Ja ankreuzen kann", sagte Lennhart Feix, 22, aus Schleswig-Holstein. Mit Blick auf die Initiatoren des beschlossenen Juso-Antrags gegen die große Koalition fügte er hinzu: "Die Meinung der acht Landesverbände repräsentiert nicht die positive Stimmung unter den SPD Mitgliedern."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Und dies ist die große Unbekannte: Weder die Regionalkonferenzen noch der Juso-Bundeskongress geben Aufschluss darüber, welches Kreuz die stille Mehrheit der Parteimitglieder zuhause macht.

DPA
tkr/Sebastian Kunigkeit/Roland Beck/DPA