Bundespräsidentenwahl Köhler geht als Favorit ins Rennen

Der Kandidat von Union und FDP Horst Köhler (61) geht an diesem Sonntag als klarer Favorit in die Wahl des neunten Bundespräsidenten in Berlin. Die Debatte um die Teilnahme von Ex-Ministerpräsident und NS-Marinerichter Filbinger dauerte an.

Die 1.205 Mitglieder der Bundesversammlung bereiteten sich seit Samstag auf die Wahl vor, die am Sonntag um 12.00 Uhr im Reichstagsgebäude beginnt. Am Abend waren Sitzungen und Empfänge der politischen Gruppen mit Köhler und der Kandidatin von SPD und Grünen, Gesine Schwan, geplant. Die Debatte um die Teilnahme des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten und Marinerichters aus der NS-Zeit, Hans Filbinger (CDU), dauerte an.

Filbinger-Debatte könnte Schwan helfen

Der erste Wahlgang wird etwa zweieinhalb Stunden dauern. Rechnerisch haben Union und FDP eine Mehrheit von 19 Stimmen in der Versammlung. Deshalb kann Schwan gegen den früheren Chef des internationalen Währungsfonds Köhler nur gewinnen, wenn sie Stimmen aus dem Oppositionslager bekommt. Schwan feierte am Samstag ihren 61. Geburtstag.

Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleich hohen Anzahl von Wahlmännern und -Frauen aus den Bundesländern. Darunter sind auch Prominente aus Sport, Kultur und Wirtschaft. Es gibt bei der Wahl keinen Fraktionszwang.

Schwan sorgte privat für klare Verhältnisse

Einen Tag vor der Bundespräsidentenwahl hat sich die Koalitionskandidatin Gesine Schwan an ihrem 61. Geburtstag mit ihrem Lebensgefährten Peter Eigen verlobt. Schwan und Eigen haben ihre früheren Partner durch ein Krebs-Leiden verloren. Schwans Mann, ihr früherer Universitätsprofessor Alexander, starb bereits 1989 nach langer Krankheit. Auf Anraten der Ärzte durfte sie ihrem Mann damals die Schwere der Krebs-Erkrankung nicht mitteilen. "Das war die schwerste Zeit meines Lebens", sagte die Wissenschaftlerin in der Sendung "Menschen bei Maischberger".

Vor zwei Jahren kam Eigen, Gründer der Anti-Korruptions-Organisation "Transparency International", auf sie zu und erzählte ihr von dem Krebsleiden seiner Frau Jutta. Von diesem Tag an begleitete Schwan das Paar bis zum Tod von Jutta Eigen im Herbst 2002. "Ich wusste genau, was in ihm vorging. Ich kannte das Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung angesichts dieser Krankheit sehr gut und wollte ihm deshalb zur Seite stehen", sagte die Politologin. Diese Erfahrung habe sie einander sehr nahe gebracht.

Auch FDP wagt erste Kritik

Bundespräsident Johannes Rau, der noch bis zum 1. Juli amtiert, rief die Politiker am Samstag im Südwestrundfunk auf, den Bürgern ihre Ziele besser verständlich zu machen: "Da wünsche ich mir mehr Disziplin, mehr Klarheit, mehr einfache Sprache." Er beklagte auch die mangelnde Zuversicht der Deutschen. Die meisten Menschen könnten zufrieden sein.

In der Debatte um die Aufstellung von Filbinger kamen nach der Kritik aus dem Regierungslager auch kritische Stimmen aus der FDP. Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte der "Berliner Zeitung" (Samstag): "Ich selbst fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken, mit Herrn Filbinger in einer Reihe zu sitzen." Der CDU-Politiker war 1978 nach der Aufdeckung seiner Vergangenheit als Marinerichter in der NS-Zeit als Ministerpräsident zurückgetreten, hatte seither aber immer wieder bei der Wahl von Bundespräsidenten mitgewirkt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Eine "Panne, die nicht hätte passieren dürfen"

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der die Bundesversammlung am Sonntag eröffnen wird, nannte die Aufstellung Filbingers eine unionsinterne Angelegenheit. "Es ist Sache der CDU und ihrer politisch-moralischen Maßstäbe der Auswahl von Mitgliedern der Bundesversammlung, darüber zu befinden", sagte er noch am Freitagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler forderte im Deutschlandradio Berlin dazu auf, Filbinger in Ruhe zu lassen. Dieser habe als Konsequenz aus seiner Vergangenheit sein Amt verloren.

Die baden-württembergische SPD verteidigte ihre Zustimmung zur Filbinger-Nominierung. Die vier Fraktionen im Landtag hätten eine gemeinsame Liste verabschiedet, sagte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Drexler. Die SPD hätte Filbinger nicht verhindern können. Aus der SPD-Bundestagsfraktion kam dennoch Kritik: Ihr Vizevorsitzender Michael Müller nannte die Nominierung der Wahlleute einschließlich Filbinger eine "Panne, die nicht hätte passieren dürfen".

DPA