Das mit Spannung erwartete Urteil des Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsklage Berlins gegen den Bund dürfte der Hauptstadt nicht gefallen. Es sei mit der Verfassung vereinbar, dass die mit rund 60 Milliarden Euro verschuldete Hauptstadt seit 2002 keine Bundeshilfen mehr für seine Haushaltssanierung erhalte. Die Drei-Millionen-Metropole hatte eine extreme Haushaltsnotlage geltend gemacht, aus der sie sich nicht mehr selbst befreien könne.
Der Zweite Senat fällte seine Entscheidung einstimmig. Nach den Worten des Gerichts-Vizepräsidenten Winfried Hassemer befindet sich Berlin zwar in einer angespannten Haushaltslage, die es aber "mit großer Wahrscheinlichkeit" aus eigener Kraft überwinden könne. Bundesstaatliche Hilfen zur Sanierung eines Landes seien nur in seltenen Ausnahmefällen möglich, wenn eine Existenzbedrohung des Landes nicht mit anderen Mitteln abzuwehren sei.
Berlins Haushaltsprobleme liegen nach Überzeugung des Gerichts nicht bei den Einnahmen, sondern bei den Ausgaben. Trotz guter bis überdurchschnittlicher Einnahmen hätten Konsolidierungsbemühungen der vergangenen zehn Jahre bisher zu keiner Senkung der hohen Ausgaben geführt. Schon deshalb seien noch Einsparpotenziale zu vermuten.
Zudem zeige der Vergleich mit dem Stadtstaat Hamburg, dass Berlin vor allem für Hochschulen, Wissenschaft und Kultur deutlich mehr ausgebe als die Hansestadt. Auch Einnahmeverbesserungen seien möglich, etwa durch die Anhebung der Gewerbesteuer oder den Verkauf der landeseigenen Wohnungen für etwa fünf Milliarden Euro.
In der Urteilsverkündung zitierte Hassemer den Berliner Slogan "Arm, aber sexy". Dieser Satz sei von Verfassung wegen nicht zu beanstanden. Zudem sei Berlin vielleicht deshalb sexy, weil es doch nicht so arm sei.
Berlin hatte argumentiert, die eigene Notlage sei unverschuldet. Nach der Wiedervereinigung habe der Bund seine finanzielle Unterstützung zu schnell gekürzt. Vor 1990 hatte der Bund die Hälfte des Berliner Haushalts bezahlt.
Die Bundesregierung hat die jetzige Forderung Berlins abgelehnt. Der Bund und die anderen Länder hätten ebenfalls kein Geld - die Hauptstadt müsse noch mehr sparen.
Die Hauptstadt argumentierte, ohne eigene Schuld in die Notlage geraten zu sein. Der Bund habe nach der deutschen Einheit seine finanzielle Unterstützung zu schnell gestrichen. Der Bund und Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg werfen Berlin jedoch vor, weiterhin zu viel Geld auszugeben.

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Berliner "Paradiesvogelpolitik"
Die Verfassungsrichter hatten bei der mündlichen Verhandlung im April festgestellt, das Problem sei nicht auf Berlin beschränkt, sondern eine Sache, die die gesamte Republik angehe. Weil sich der Bund sowie viele Länder in großen finanziellen Schwierigkeiten befänden, gehe es auch um ein "Verteilungsproblem", sagte Richterin Lerke Osterloh seinerzeit.
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Peter Ramsauer, forderte eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. "Es kann nicht sein, dass es sich einzelne Länder am Tropf des Finanzausgleichs bequem machen und auf eigene Anstrengungen verzichten", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Dabei dürften Überlegungen wie ein Sanktionskatalog für Länder, die wie Berlin "Paradiesvogelpolitik" betreiben und den Haushalt völlig aus dem Ruder laufen lassen, nicht ausgeschlossen werden.