Dalai Lama in Deutschland Liebe, Harmonie und Menschenrechte

David Meiländer, Bochum
Der Dalai Lama musste nicht viel tun, um seine Anhänger zu begeistern. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter sprach in Bochum vor etwa 3000 Menschen. Seine Pressekonferenz wurde allerdings von einem chinesischen Journalisten gestört.

Als Wu Liming das Wort ergreift, verfinstert sich die Miene des Dalai Lama zum ersten Mal. Ausgerechnet der Deutschland-Korrespondent der staatlichen Nachrichtenagentur Chinas, Xinhua, ist es, der die sorgsam inszenierte Show aus Harmonie und Friedlichkeit für einige Minuten ins Wanken bringt. Es ist zwanzig vor zehn und der Dalai Lama gibt eine Pressekonferenz zum Auftakt seines fünftägigen Besuchs in Deutschland. Liming hat sich seine Frage auf einen kleinen karierten Zettel geschrieben. Er hält ihn in seiner rechten Hand, die jetzt, wo alle Augen auf ihn gerichtet sind, zu zittern beginnt.

"Sie sagen, Sie wollen keine Unabhängigkeit für Tibet, sondern Autonomie in einem chinesischen System", sagt er und blickt dem Dalai Lama direkt in die Augen. "Aber sogar die Gesandten, die Sie zu den Verhandlungen mit China geschickt haben, wollen etwas ganz anderes. Sie engagieren sich in Organisationen, die sich klar für die Souveränität Tibets einsetzen. Wie passt das zusammen?" Liming geht es um die Glaubwürdigkeit des geistlichen Oberhaupts der Tibeter. Später wird er den deutschen Journalisten in den Block diktieren, dass er große Zweifel an der Integrität des Geistlichen habe und die deutsche Stimmung bezüglich seines Besuchs nicht verstehen könne. "Ihr alle haltet ihn für einen religiösen Führer, dabei ist er eigentlich ein knallharter Politiker, der diesen Besuch nutzt, um seine strategischen Interessen durchzusetzen."

Was auch immer Limings strategische Interessen sind

, in einem hat der chinesische Journalist recht: Der Dalai Lama wird in Deutschland von einer Woge der Sympathie begleitet. "Er wird empfangen wie ein Popstar", mit diesem Vergleich versuchten viele deutschen Zeitungen in den vergangenen Tagen die große Begeisterung zu beschreiben. Soviele Menschen wie ein berühmter Sänger kann der Mönch zwar nicht mobilisieren, aber immerhin 16.000 wird er in den kommenden Tagen in Mönchengladbach, Nürnberg, Bamberg und Berlin versammeln können, nachdem er heute in Bochum seine Auftaktveranstaltung gegeben hat. Wer das Oberhaupt der Tibeter sehen will, musste dafür tief in die Tasche greifen. Bis zu 40 Euro kosten die Eintrittskarten, die nach Angaben des Veranstalters, der Tibet Initiative Deutschland, schon lange ausverkauft sind.

Dafür bekommen die Zuschauer nicht nur den Dalai Lama zu sehen, auch andere Prominente nehmen an den Veranstaltungen teil. Einer von ihnen ist Roland Koch. Als der hessische Ministerpräsident einige Stunden nach de Pressekonferenz gegen 15 Uhr die kleine Bühne des Bochumer Ruhrkongresses betritt, bricht die ganze Halle in Jubel aus. Der Politiker hatte sich immer wieder für den Dalai Lama eingesetzt und erklärt, er und der geistliche Führer seien schon seit Jahren befreundet. Die Zuschauer honorieren das. "Natürlich wollen wir gute Beziehungen mit China, aber dafür müssen sie vor allem eines beachten: Die Menschenrechte."

Mit den Unruhen in Tibet hat der Besuch des Dalai Lama an Bedeutung gewonnen

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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, der schon seit über einem Jahr geplant war. Für den Vorsitzenden der Tibet Initiative, die die Veranstaltungen organisiert und das geistliche Oberhaupt der Tibeter nach Deutschland eingeladen hatte, ist das kein Problem. "Der Schwerpunkt der Reise seiner Heiligkeit liegt ganz klar auf der Politik", sagt deren Vorsitzender Wolfgang Grader. "Wir wollen, dass vor allem die Bundesregierung über ihre Tibet-Politik nachdenkt. Dafür soll von diesem Besuch ein Impuls ausgehen."

Das heißt nichts anderes als politischen Druck ausüben, so sagt es Grader wenige Minuten später ganz offen auf der Bühne des RuhrCongresses. Es sind noch wenige Minuten bis zum Auftritt des Dalai Lamas. "Gehen Sie zu Ihren Abgeordneten im Wahlkreis, schreiben Sie Briefe, rufen Sie an", raunt Grader in sein kleines Handmikrofon und schaut ernst im Saal umher. "Nur so können die die Politiker in Berlin dazu bewegen, ihre Haltung gegenüber Tibet zu überdenken."

Als der Dalai Lama schließlich nach über einer Stunde Vorprogramm den Saal betritt

, stehen die etwa 3000 Zuschauer geschlossen auf und jubeln. In der Mitte der Bühne haben die Veranstalter zwei Stühle aufgestellt. Auf dem einen sitzt das geistliche Oberhaupt, auf dem anderen ein Dolmetscher, der von Englisch ins Deutsche übersetzt. Eigentlich sollte der Dalai Lama nun über die Menschenrechte referieren, aber er redet lieber über wichtigere Dinge wie den "Frieden des Geistes". Auf äußere Werte komme es nicht an, sagt er immer wieder. Die Wahre Schönheit komme von innen. Erst später kommt er noch einmal auf China zu sprechen und es ist, als wolle er noch einmal auf die Frage des chinesischen Journalisten Wu Liming zurück kommen, der ihm im Zusammenhang mit seiner Politik Unehrlichkeit vorgeworfen hatte. "Ich will noch einmal bekräftigen: Ich bin nicht für eine Unabhängigkeit Tibets", sagt der Dalai Lama. "Ich bin nur dafür, dass die Tibeter ihre Kultur und ihre Politik in einem chinesischen System weitestgehend selber regeln können." Wenn das erreicht sei, sei er auch bereit, sein Amt aufzugeben. "Die Institution des Dalai Lamas ist kein Muss. Ich bin gerne bereit zu verzichten."

Worte, die auch Wu Liming gehört haben wird. Doch ob sie den Weg in seine Meldung finden werden, das weiß er noch nicht. "Das entscheidet mein Chief Editor", sagt er. "Ich schreibe nur den Text."