Demonstration vor Schloss Bellevue Schuh-Proteste gegen Wulff

  • von Gloria Veeser
In der arabischen Kultur wird mit dieser Geste Verachtung ausgedrückt: Mit einem Schuh in der Hand haben rund 400 Menschen vor dem Sitz des Bundespräsidenten protestiert.

Man muss es schon ernst meinen, um sich trotz des Berliner Sauwetters bei nasskalten 8 Grad Celsius vor das Bundespräsidialamt zu stellen. Immerhin 400 Menschen haben sich davon nicht abschrecken lassen und kamen zur Anti-Wulff-Protestaktion. Mit Plakaten, Trillerpfeifen und vor allem mit Schuhen bewaffnet standen sie am Samstagnachmittag vor dem Schloss Bellevue. Auf dem Schlossdach wehte zwar die Fahnen mit dem Bundesadler, der Bundespräsident aber ließ sich vorerst nicht blicken.

Der legendäre Schuh-Anschlag gegen George W. Bush hatte die Geste weltberühmt gemacht: Auf einer Pressekonferenz 2008 warf ein Iraker eine Schuh gegen den damaligen amerikanischen Präsidenten. Im arabischen Raum ist das Zeigen der Schuhsohle ein Zeichen von Verachtung.

Zu Werfen hat sich in Berlin allerdings keiner getraut: "Dafür sind die deutschen Bürger zu brav" sagt ein Teilnehmer der Anti-Wulff-Protestaktion mit Bedauern. Die Veranstalter "Creative Lobby Of Future" sehen das anders: Zeigen, nicht werfen, ist ihr Motto. Die Schuhe sollen lediglich symbolisch hochgehalten werden – eine friedlichere Variante des Protests, aber immer noch genug um Bundespräsident Wulff zu verhöhnen. "Wir wollen mit der Aktion „Schuh zeigen“ Herr Wulff ermahnen, sein Verhalten zu überdenken und für sich die Konsequenzen zu ziehen, die er anderen vor Jahren angeraten hatte", so die offizielle Stellungnahme der Veranstalter "Creative Lobby Of Future auf der Homepage".

"Einfach nur noch peinlich"

Die versammelten Wulff-Kritiker vor Schloss Bellevue können viele Gründe nennen, warum Wulff die Würde des Präsidentenamtes beschädigt und zurücktreten sollte: Dubiose Kreditgeschäfte, Gratisurlaub bei reichen Freunden und vor allem der Versuch, alles vertuschen zu wollen, sind die häufigsten Antworten an diesem Nachmittag. "Das TV-Interview hat die Sache nur noch schlimmer gemacht" findet eine Demonstrantin, für die der Bundespräsident "einfach nur noch peinlich" ist.

"Diesen Präsidenten haben wir nicht verdient", steht auf dem Plakat ihres Mitstreiters. Doch seine "Raus mit Wulff" Rufe bleiben vorerst unerhört. Die Veranstalter haben auf ihrer Facebook-Seite allerdings angekündigt, solange weitermachen zu wollen, bis der Bundespräsident zurücktritt. Vorschläge für Wulffs Nachfolger gibt es von Seiten der Demonstranten zur Genüge: Neben ernsthaften Politikern wie Joachim Gauck oder Norbet Lammert sehen zahlreiche Demonstranten auch in dem Politsatiriker Georg Schramm einen passenden Kandidaten. Er könne die Würde des Amtes besser gewährleisten als Wulff.

Schuh-Post für den Bundespräsidenten

"Heuchlerisch" findet ein Demonstrant insbesondere Wulffs Umgang mit der Presse. Dass Wulff einerseits die Presse jahrelang benutzt habe um sich mit seiner Frau zur Schau zu stellen und sich andererseits über negative Berichterstattung beschwert, kritisiert der Berliner mit dem Plakatspruch: Wer sich die Bunte ins Haus bestellt, darf sich nicht fürchten vor der Welt. Auch für den Studenten Lion Edner zeigt das Fernseh-Interview mit "ausgewählten Hofjournalisten", dass Wulff die Presse weiterhin für seine Zwecke instrumentalisiert. Diese Presse trage aber die selbe Verantwortung wie die Politik, kritisiert der Student. Deswegen fordert er auf seinem Plakat die ZDF-Journalistin Bettina Schausten ebenfalls zum Rücktritt auf. Schausten hatte zusammen mit einem ARD-Kollegen das TV-Interview mit Christian Wulff geführt, das dieser exklusiv den öffentlich-rechtlichen Sendern angeboten hatte.

Nach noch nicht einmal einer Stunde wird die Veranstaltung aufgelöst – länger sei sie nicht angemeldet gewesen, so die Polizei. Als ein Demonstrant dennoch per Mikrofon die Menge dazu auffordert zu bleiben, wird er abgeführt, wehrt sich und wird zu Boden gerungen. Am Bein verletzt bleibt er bis zum Eintreffen eines Krankenwagens in der nassen Wiese liegen, umstellt von einem Dutzend Polizisten.

Die Schuhe rund um das Schloss wurden nach der Aktion von der Polizei eingesammelt, jetzt fordern die Veranstalter auf Facebook dazu auf, Schuhe per Post an den Bundespräsidenten zu schicken, zusammen mit dem Aufruf: "Rücktritt jetzt und sofort".