Einfach mal Fresse halten! Nur eine Viertel Stunde. Zuhören. Lesen. Keine dummen Fragen! Geht das? Schaffst du das, Wessi? Danke.
Grundsätzlich schulden wir euch gar keine Erklärungen mehr, auch wenn ihr uns gerade jetzt, nach der Wahl in Sachsen-Anhalt, wieder dieses Gefühl vermittelt. Über uns ist alles gesagt und erforscht, das meiste sogar von euch selbst, nachdem die hiesigen Lehrstühle abgewickelt waren: Die Mauer in den Töpfen, in den Betten, in den Kleiderschränken, dieses ganze rätselhafte Benehmen, die verschämte Zurückhaltung, der distanzlose Blick, alle Befindlichkeiten, Befremdlichkeiten und narzisstischen Kränkungen.
Sozialistisches Töpfchen-Kollektiv in der Kinderkrippe
Ihr müsst es ja wissen! Ossis neigen zu Bluthochdruck, dafür seltener zu Allergien. Sie essen viel zu fett und waren doch nicht alle bei der Stasi. Gern redet ihr anerkennend vom richtigen Leben im falschen - subtiler kann man Biografien wirklich nicht entwerten. Und das mit den Nazis muss man am Ende auch verstehen: So ein sozialistisches Töpfchen-Kollektiv in der Kinderkrippe macht eben gewaltbereit.
Ja, es stimmt alles: Manchmal bläst sich einem der Taschen-Baseballschläger ganz von selbst in der Hosentasche auf. Vor allem wenn ihr trotz all dieser Atteste und schwersten Behinderungen doch wieder so blöd fragt: Aber eigentlich spielt das doch alles keine Rolle mehr, oder?
Oder doch? Nach jeder Wahl jault ihr wieder auf und reibt euch entsetzt die Augen. Sie sind noch feucht von der letzten Träne, die ihr jeder einzelnen Milliarde nachweint - und sie fließen und fließen und nutzen scheinbar doch nichts in diesen fünf nicht mehr ganz neuen Bundesländern. Eine einzige Zumutung ist das, finanziell, politisch und ästhetisch auch, wenn euch »Spiegel-TV« mal wieder unsere Musterexemplare vorführt, die dem Wohlstand in Bomberjacken trotzen.
Ihr wart vielleicht schon mal da, habt früher Päckchen geschickt und womöglich sogar einen persönlichen Ossi in Verwandtschaft oder Brigade. Die kommen euch zwar anders vor als die verstockten, undankbaren, ewigen Jammerlappen im Fernsehen, aber immer noch ein bisschen komisch mit ihrer erfrischend naiven Art, die sie vorgaukeln. Ihr zahlt brav oder murrend euren Solidaritätszuschlag (wir auch) und habt wirklich gedacht, damit sei es getan? Das ist der erste Irrtum, einer von vielen, aber der grundsätzliche: Die deutsche Einheit ist keine Geld-Frage.
Danke an dieser Stelle!
Niemand will euch diesen Glauben nehmen, jedenfalls nicht gerne: Wir wissen ja aus unseren eigenen Vorurteilen, dass Wessis nur ans Geld denken, und - ehrlich - wir können es auch immer noch gut gebrauchen. Danke übrigens mal an dieser Stelle! Aber es tut einem fast in der empfindsamen Ossi-Seele weh, dass es euch erst jetzt dämmert, worauf ihr euch damals wirklich eingelassen habt.
Der Westen hat vor zwölf Jahren Land und Leute gekauft wie eine tote Katze im Sack. Das ist kein Vorwurf. Es war auch kein Trick oder so was. Wir wollten es ja selbst, wir wussten bloß auch nicht, wie man so eine Wiedervereinigung macht: dass es nicht damit getan ist, ein paar bei-nahe unberührte Ostseeinseln zu versylten, alle Immobilien, ein paar Firmen und die besten Fußballer zu kaufen. Ballack, Jeremies und Co. füllen inzwischen völlig unproportional zur Bevölkerung den halben Nationalkader. Aber fragt ihr euch auch mal, warum es mit dem deutschen Fußball seit dem WM-Titel zur Vereinigung 1990 nur noch bergab geht?
Klingelt's schon? Nein? Na gut: Ich bin hier in Leipzig so etwas wie der Redaktions-Ossi. Es ist nicht ganz so schlimm wie für eine Kollegin in Hamburg, die auf dem Flur wahlweise als »Ostschrippe« begrüßt wird oder wie ein Jungpionier mit »Seid bereit!« Wenn eine Geschichte über die 80er Jahre ansteht, fragt man uns, wie das denn im Osten so war, und vor einer Grill-Reportage, wie wir das damals eigentlich gemacht haben. Was soll man dazu sagen? Nun: Wir haben Holzkohle angezündet, durchbrennen lassen und dann auf einem Rost das Fleisch gegrillt.
Der Spaß hört in Sebnitz auf, nicht wegen des Hirngespinstes einer traumatisierten Mutter (aus dem Westen), sondern weil sofort der ganze Ort in Sippenhaft geriet: Klar haben die alle zugesehen, als ein Kind ertränkt wurde, im Zweifel auch mitgemacht - und wenn dann doch nicht, zuzutrauen war das den Ossis allemal.
So viel Takt ist da
Der stern hat »Die Lügen von Sebnitz« aufgedeckt und ist auch sonst ein ziemlich gutes Blatt. Trotzdem wird er, genauso wie »Der Spiegel« oder andere Westblätter, im Osten kaum gelesen. »Warum?«, fragen sich alle. Und dann kommen die typischen West-Ideen: »Wir müssten mal wieder was über Ossis machen, Ossis, die es geschafft haben.« Das »trotzdem« sprechen sie nicht mehr mit. So viel Takt ist da.
Also was? »Na ja, was Positives halt, es kann doch nicht nur Arbeitslose und Nazis da geben.« Nein, kann es nicht. Womöglich staunen sie wirklich, meinen es gut, wollen nicht nur die Auflage erhöhen, sondern verstehen - und knallen dann doch wieder einen Trabi, eine Nackte und Gysi auf das Titelblatt - fertig ist euer Ossi.
Irgendwann muss das doch alles mal gut sein, findet ihr. Wir auch, nur dass wir schon bei diesem einen Satz aneinander vorbeireden: Ihr meint nämlich unser Gejammer - und wir eures. Und genau da liegt der deutsche Schäferhund begraben.
»Ihr könnt uns einfach nicht verstehen!« heißt ein neues Buch, in dem der Autor Olaf Georg Klein an vielen Details erklärt, warum Ossis und Wessis immer noch unterschiedlich ticken, riechen und sich schon missverstehen, bevor sie nur den Mund aufmachen: Es geht nicht um Goldbroiler oder das »x« in Espresso. Es geht um zwei verschiedene Sprachen, um diffuse Irritationen und dieses zwischenmenschliche Gespür, das sich so schwer vermitteln lässt, wenn man nie einen Intershop gerochen hat - ich meine: wirklich gerochen, eingesogen, hochgezogen bis in den letzten Hirnlappen, so wie ihr das vielleicht nur vom Koksen kennt. Obwohl das Buch nicht auf Ostdeutsch erschienen ist und wirklich alles erklärt, verstehen viele Wessis nicht, was der Autor eigentlich meint. Sie grinsen blöde, wo wir wissend lächeln, was ihnen wiederum dümmlich vorkommt.
Kein Witz!
Steht ein dicker Mann vor einem Dresdner Gericht. Eine junge Frau hat ihm die Vorfahrt genommen und hinterher auch noch »Du fettes Wessischwein« zu ihm gesagt. Er ist wirklich nicht besonders schlank, aber das kann er dann doch nicht auf sich sitzen lassen. »Ich war entsetzt«, erklärt er im Zeugenstand, »wo ich doch gar kein Wessi bin, sondern waschechter Sachse.« Die Richterin versteht, fettes Schwein wäre ja noch gegangen - aber so: 300 Mark Strafe.
Oder die Hamburger Eisente auf unserem Spielplatz. Blockiert mit ihrer Gap-Göhre nicht nur die Wippe, sondern beklagt sich auch noch, dass »die Lütte« plötzlich anfängt zu sächseln, seit sie in einen Leipziger Kindergarten geht. Steht entrüstet da in ihrer gesteppten Barbourjacke, blond wie Blankenese, natürlich mit Halstuch und Perle im Ohr und wartet auf eine angemessene Reaktion. Aber ein Gentleman-Ossi schlägt keine Frau.
Mein komischer Hausbesitzer jammert mir die Ohren voll, dass er meine Wohnung noch vor wenigen Jahren für das Doppelte vermietet hat. Bei ihm zu Hause in Düsseldorf, würde man sie ihm für jeden Preis aus der Hand reißen, vorher und nachher auf eigene Kosten renovieren, jedenfalls nicht wegen einem undichten Fenster rumäkeln wie diese maßlosen Ossis. Sicher: Elf Mark kalt in bester Leipziger Lage, mit offenem Kamin und Grün vor der Tür. Da kann man nicht meckern, da tränen euch die Augen. Ihm auch. Aber was soll der Scheiß? Muss ich einem Wessi das Prinzip von Angebot und Nachfrage erklären?
Verstehst du das jetzt, Wessi? Den Zusammenhang, die Aversionen? Nein? O Gott! Also noch mal langsam: Wenn meine Frau mich wirklich treffen will, sagt sie Wessi zu mir. Das ist schnell dahin gesagt, wenn man eigentlich Arschloch meint. Dabei bin ich weder das eine und erst recht nicht das andere. Aber nicht mehr doof genug, jeden Preis für eine schludrig sanierte Wohnung zu zahlen, für die der Düsseldorfer auch noch 50 Prozent Sonder-Afa Ost abgeschrieben hat. Und die Eisente hat auf unserer Wippe einfach nichts zu suchen, wenn sie nicht mal unseren Dialekt erträgt. Ihr Mann befläzt in unserer Stadt einen von unseren Beamten-sesseln, der ihm im Westen erst in zehn Jahren zugestanden hätte. Sie wohnen garantiert in einer Wohnung mit dichten Fenstern, nehmen uns einen Kindergartenplatz weg, den sie in Hamburg nie bekommen hätten und nicht mal brauchen, weil Eisenten gar nicht daran denken zu arbeiten. Und wenn wir ein Iglu im Schnee bauen, fragen sie: Ist das Styropor?
Es sind Kleinigkeiten, Äußerlichkeiten, manchmal nur ein doppelt geschlitztes Jackett, und immer ein blödes Gefühl, wenn eine Stadt nicht mehr den eigenen Leuten gehört. Häuser, Firmen, das ganze Land - gefühlte 99 Prozent des Eigentums und fast alle Posten im Osten gehören Westlern, vor allem in der Justiz. Wenn ein Ossi mit einem Wessi zu tun hat, ist es also meistens sein Chef oder der Vermieter, oder er steht vor Gericht.
In Leipzig, der Stadt mit der größten Westler-Dichte außerhalb von Berlin, bleiben sie zum Glück weitgehend unter sich. Aber es werden immer mehr, die sich mit ihrer penetranten Zielstrebigkeit im Job und auf der Wippe breit machen. Mein Spielplatz-Freund Hans weiß sogar sicher, dass sie nachts das liegen gebliebene Bud-delzeug einsammeln. Manchmal lässt sich ein Gespräch selbst mit hartnäckigster Einsilbigkeit nicht vermeiden. Dann beklagt sich die Eisente, dass man jetzt eigentlich nach Polen müsste, weil es hier schon genauso langweilig sei wie in Hamburg. Und wenn ihr jetzt mit eurem ungesunden Selbstbewusstsein immer noch behauptet, das hätte nichts mit Ost und West zu tun, höchstens mit verschiedenen Menschen, vielleicht noch was mit uns Ossis selbst - dann kann man das alles offenbar gar nicht genug pauschalisieren.
Ossis unter den Wessis
Natürlich ist nicht jeder Westdeutsche ein Wessi und jeder Ostdeutsche ein Ossi. »Es gibt auch viele Ossis unter den Wessis und gar manche Wessis unter den Ossis«, schreibt Günter Herlt in seinem wunderbaren »Ratgeber: Wie wird man Wessi«. Leider erfährt der wissbegierige Ossi auch bei ihm erst viel zu spät, wie man es denn nun wird, nämlich: »Am besten gar nicht.«
Das Absurde ist ja, dass wir nichts lieber sein wollten, als wir noch Zonis waren. Wir hatten dieses Ossitum so satt! Als es die DDR noch gab, haben wir über sie fast täglich gelacht oder leise geschimpft, heute muss man aufpassen, dass sie im Rückblick nicht jedes Jahr demokratischer wird. Denn eins müsst ihr uns glauben: Niemand, wirklich niemand, will sie zurück. Der ganze Ostalgie-Mist, die Zusammengehörigkeit, die kuschelige Wärme und die geraubte Identität - alles Kitsch und Unsinn: Es ist auch heute nicht verboten, nett zu seinen Nachbarn zu sein.
Unser, Euer - Wir, Ihr
Dieses »Unser« und »Euer«, dieses »Wir« und »Ihr« ist vor allem deshalb noch da, weil wir es alle so krampfhaft weghaben wollten. Geleugnet, unter den runden Tisch gekehrt, am Anfang fast mystisch ausgeblendet unter »Brüdern und Schwestern«: Welche Unterschiede? Welche Gräben? Das wächst sich schon aus und endlich zusammen. Na also, geht doch, »im Westen angekommen« heißt es noch heute, wenn ein Ossi nach gültigem West-Muster Erfolg hat, meistens im Sport, aber egal. Schau an, unsere Ossis, immer fleißig, immer am Lernen, bei der Umschulung, in der Politik, selbst im Fernsehen sind welche!
Diese komischen Ossis werden euch Wessis immer ein Rätsel bleiben, so lange der Westen das Maß aller Dinge ist. Denn wo sollen wir denn heute noch ankommen? Wie denn? Und warum? Und wieso eigentlich wir? Wir bleiben und wir gehen, wo und wohin wir wollen. Hat lange genug gedauert. Jetzt seid ihr dran mit »ankommen« - und merkt es noch nicht mal.
Der SED-Rentner Gysi ist seit Januar Wirtschaftssenator in der Mauerstadt. Ein Stasispitzel moderiert den Platz an der Sonne. Die Züge der Münchner S-Bahn werden von 400 Ossis gelenkt. Und natürlich hat das auch alles etwas mit besserem Sex zu tun: Diese ganzen Ankes und Djamilas, die gerade im Westen prominente Ehen unterwandern und Schweizer Botschafter nach Hause schicken, wurden alle in der DDR auf ihre Aufgaben vorbereitet. Diplomatische Verwicklungen, euer Schätzchen Uschi Glas - ein Opfer der Wiedervereinigung! Das nimmt alles Ausmaße an?
Als in Hoyerswerda ein Sack Kommunismus umfiel, war das in Aachen noch so weit weg wie China. Dabei haben wir damals die gute alte Bundesrepublik gleich zusammmen mit der DDR erledigt. Jetzt geht es ans Eingemachte: In Gesamtdeutschland werden dieses Jahr 43500 Insolvenzen erwartet. Und obwohl es überall kracht, interessiert sich kein Schwein für eure Bauchschmerzen - wir sind die Chefsache - zumindest alle vier Jahre zur Wahl.
Das klingt zwar nicht mehr nach Aufschwung, eher nach Chefarzt, akutem Kreislaufversagen und einem besonders schweren Fall von Extra-Behandlung, den keine Ortskrankenkasse mehr bezahlt. Aber genauso ist es ja auch: Gerade ziehen sich Kanzler und Kandidat wieder die weißen Kittel über, treten mit ernster Miene an das Krankenbett Ost, loben Fortschritt und Genesungswillen und sind je nachdem auf dem richtigen Weg oder versprechen eine neue Therapie.
Zeit heilt Wunden
Das ist schön. Das genießen wir. Man weiß ja: Wir jammern gern und nehmen jede Vitaminspritze mit. Nur von Spontanheilung spricht seit Wunderheiler Kohl keiner mehr. Eher ratlos und unsicher lächeln uns die falschen Ärzte an und haben Angst: Weil zum Beispiel echte Ärzte im Osten immer noch 25 Prozent weniger verdienen, gelten wir als unzufrieden, unberechenbar und entscheiden mit unserem Wankelmut angeblich jede Wahl. Offenbar halten sie uns aber auch immer noch für arztgläubige Deppen, denen man die gleiche Quacksalberei nur oft genug erzählen muss: Kopf hoch! Die Zeit heilt alle Wunden. Oder: Alles nur eine Frage der Infrastruktur.
Dr. Schröder schwört auf den Solidarpakt II, ein neues hoch dosiertes Medikament von 306 Milliarden Mark, das selbst Kollege Stoiber vor 2019 nicht absetzen will. Wir wären lieber bei unserer Frau Dr. Merkel in Behandlung gewesen, aber manchmal muss auch eine geborene Fachärztin an ihre verwöhnten Privatpatienten im Westen denken, die genauso laut stöhnen.
Niemand traut sich, den Patienten die Wahrheit zu sagen. Nein, nicht Sterbehilfe, das hat die Treuhand schon versucht. Ihr Wessis müsstet euch erst mal selbst ein paar grandiose Fehldiagnosen eingestehen: 1.: Mitgegangen, mitgehangen, wir sind nicht alle gleich - aber gleich krank. 2.: Wende, Wiedervereinigung und Einheit fanden nicht nur im so genannten Beitrittsgebiet statt, sondern haben ganz Deutschland für immer verändert. Und 3.: Wir haben uns nicht nur bei den Kosten übernommen und gegenseitig in die Tasche gelogen, sondern auch die mentalen Unterschiede unterschätzt.
Unsere Krankheitsgeschichte lehrt vor allem eins: Wir wollen uns nicht mehr belügen lassen. Wir sind inzwischen renitent gegen Parolen und falsche Versprechen. Davon gab es zu viele, vor der Wende sowieso, danach waren sie nur nicht mehr so leicht durchschaubar.
Der goldene Westen hat uns mit subtileren Zwängen enttäuscht, aber auch sonst häufen sich merkwürdige Dejavu-Erlebnisse: Da sind 80 Prozent der Leute gegen eine anerkannt schwachsinnige Rechtschreibreform, aber alle machen mit. Wir lassen uns was vom Euro erzählen, der nichts teurer macht. Die Grünen verhalten sich im Bundestag wie eine jämmerliche Blockpartei in der Volkskammer. Der Gehorsam eilt wieder voraus, dem Chef, den Amerikanern, im Bundesrat. Da kann es einem Ossi nur eiskalt den Rücken herunterlaufen.
Gut gemeint geht nicht immer gut aus
Ja klar, heißt es dann, die da drüben mit ihrem alten Feindbild vom imperialistischen Aggressor - alles eingeimpfte DDR-Propaganda. Die machen es sich einfach, die Ossis! Falsch: Wenn wir noch die alten Ossis wären, würden wir brav die Schnauze halten und darauf vertrauen, dass es schon alles seinen sozialistischen Gang geht. Aber genau da haben wir ein paar schmerzhafte Erfahrungen mehr: dass gut gemeint nicht immer gut ausgeht und dass man im Zweifel sowieso von vorn bis hinten und uneingeschränkt belogen wird. Immer.
Wir wissen, was Freiheit und Demokratie bedeuten. Wir wissen beides sogar zu schätzen. Aber wenn man diese Worte plötzlich so oft hört wie früher »Frieden und Sozialismus« - da sind wir wirklich Sensibelchen.
Leider könnt ihr Wessis da nicht mitreden, ausnahmsweise, was euch natürlich schmerzt. Deshalb macht ihr es trotzdem und schiebt alles der PDS in die neuen Adidas-Turnschuhe. Aber wer soll denn das sein, diese 20 Prozent? Doch nicht die Ossis, höchstens 20 Prozent von 50 Prozent, die überhaupt noch zur Wahl gehen. Davon kann man noch einmal die Hälfte abziehen, die es aus reiner Folklore tun, eine Art Ost-CSU, oder um den Westen zu ärgern. Bleiben fünf Prozent. Und das können eigentlich nur Wessis sein, die inzwischen im Osten leben, sich repräsentativ in die Umfragen schmuggeln - oder wie die Eisente - tatsächlich glauben, die PDS wäre nicht die SED.
Wir Ossis sind die besseren Deutschen. Das haben wir schon in der Schule so gelernt. Jetzt könnt ihr den Mund wieder aufmachen, nach Luft schnappen und böse Leserbriefe schreiben, dass wir mit dieser Überheblichkeit kein bisschen anders sind als ihr. Mag auch sein. Aber wir wären es so gerne. Wenigstens das!
Holger Witzel