DGB-Kongress Kampf um den Mindestlohn

Wie bereits Angela Merkel warnte auch Franz Müntefering auf der Tagung des DGB vor einem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Dafür erntete er die Schelte des DGB-Chefs Michael Sommer und Pfiffe der Delegierten.

Arbeitsminister Franz Müntefering hat die Gewerkschaften vor einer Festlegung auf einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro gewarnt. Wenn das komme, gehe ein Familienvater mit zwei Kindern mit weniger Geld nach Hause als ein vergleichbarer Bezieher von Arbeitslosengeld II, sagte der Vizekanzler und SPD-Politiker am Donnerstag in Berlin auf dem Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Die große Koalition werde im Herbst Vorschläge vorlegen, wie existenzsichernde Löhne gewährleistet könnten. Er selbst bevorzuge tarifliche Mindestlöhne. "Mir wäre das am liebsten", sagte Müntefering. Der Arbeitsminister rief die etwa 400 Delegierten eindringlich auf, sich stärker der privaten Altersvorsorge anzunehmen. Die Arbeitgeber forderte er auf, in den nächsten Wochen mehr Lehrstellen zu schaffen.

Münteferings 50-minütige Rede wurde mehrfach von Buhrufen und Pfiffen auf Trillerpfeifen gestört. Wie bereits beim Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch protestierten Delegierte mit Transparenten gegen die Rente ab 67. Etwa 40 Delegierte verfolgten die Rede stehend und in roten T-Shirts, auf denen sie unter dem Motto "Arm trotz Arbeit" einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde forderten. Diese Forderung war am Mittwoch vom DGB-Kongress beschlossen worden.

Absage an Ausbildungsumlage

Müntefering verteidigte unter Buh-Rufen die Regierungspläne, vom Jahr 2012 an das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre anzuheben. Er regte an, zur ergänzenden privaten Altersvorsorge verstärkt über Alternativen nachzudenken. So sei es überlegenswert, eine Beteiligung am Produktivkapital wie im Metalltarifvertrag stärker auf die Altersvorsorge auszurichten.

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt bezeichnete Müntefering als "völlig unbefriedigend". Die von den Gewerkschaften geforderte Ausbildungsumlage werde es aber nicht geben. Die Arbeitgeber müssten in den nächsten Wochen dafür sorgen, dass ausreichend Lehrstellen geschaffen würden.

Sommer fordert Börsenumsatzsteuer

DGB-Chef Michael Sommer dankte Müntefering für die offenen Worte. Mit Merkel habe der Vizekanzler gemeinsam, dass er nicht gekniffen habe. Den unter der rot-grünen Regierung geschlossenen Ausbildungspakt mit den Wirtschaftsverbänden nannte Sommer verlogen. "Dieser Pakt bringt nichts." Sommer forderte erneut Klarheit über die Regierungsvorhaben zur Beschäftigung von Geringqualifizierten. "Der Niedriglohnsektor muss weg. Und dazu gehört auch ein gesetzlicher Mindestlohn", sagte Sommer.

Zuvor hatte Sommer in seiner Grundsatzrede eine stärkere Regulierung der internationalen Finanzmärkte gefordert. Er plädierte unter anderem für eine Börsenumsatzsteuer als Instrument, "mit dem kurzfristige Kapitalbewegungen verteuert" und Investoren zu einem "langfristigen strategischen Engagement" ermutigt würden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Für Anlauf zu einer europäischen Verfassung

Beim Thema Gesundheitsreform warnte er die Regierung davor, die Arbeitgeberbeiträge einzufrieren, die Kopfpauschale durch die Hintertür einzuführen und die Privatversicherten weiter zu privilegieren. Dies alles ginge zu Lasten der gesetzlich Versicherten.

Der DGB-Chef sprach sich für einen neuen Anlauf zu einer europäischen Verfassung aus. Die Europawahl 2009 solle gleichzeitig "als Wahl zu einer Verfassung gebenden Versammlung" organisiert werden. "Nur ein von den Wählern Europas legitimiertes Parlament ist in der Lage, mit seiner Autorität einen neuen Verfassungsentwurf zu erarbeiten." Der Entwurf müsse dann durch eine "europäische Volksabstimmung in Kraft gesetzt werden".

DPA · Reuters
Reuters/DPA