Erinnerung an Heilbronner Neonazi-Opfer Das Gedenken findet in der Halle statt

  • von Mathias Rittgerott
In Heilbronn hat die Zwickauer Neonazi-Zelle die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet. Am Tag, an dem Deutschland der Opfer rechter Gewalt gedenkt, findet sich am Tatort niemand ein. Erinnert wird in der Halle.

Die Gruppe ist nicht groß, 80 Leute vielleicht. Sie stehen in der Ehrenhalle des Heilbronner Rathauses, verharren ein paar Minuten und schweigen. Flötenmusik ertönt. Es ist 12 Uhr. "Wir setzen ein kraftvolles Zeichen der Trauer", sagt Marianne Kugler-Wendt. Sie ist Geschäftsführerin der hiesigen Ver.di-Ortsgruppe und hat die Schweigeminute organisiert. Wie in ganz Deutschland gedenken die Menschen der Stadt der zehn Opfer der Zwickauer Nazi-Zelle.

Heilbronn ist auf besondere Weise mit deren Verbrechen verbunden, weil hier am 25. April 2010 die Polizisten Michèle Kiesewetter ermordet wurde. Die Tat geschah am helllichten Tage am Rande der Theresienwiese, wo sonst gefeiert wird, Menschen fröhlich sind, lachen.

Ehrenhalle ist Ort des Gedenkens an Nazi-Opfer

Doch nun das Schweigen. Die Ehrenhalle ist der Ort der Stille in Heilbronn. "Wir gedenken unserer Toten aus dem Zweiten Weltkrieg", ist dort in die Wand gemeißelt. An die Opfer der Bombardierung der Stadt wird erinnert. Und an die "405 Verfolgten, die um ihrer Rasse, ihres Glaubens und ihrer Überzeugung Willen ihr Leben verloren."

Kugler-Wendt liest die Zeilen vor und sagt: "Hier gedenken wir aller Nazi-Opfer." Deshalb die Schweigeminute hier und nicht an dem Ort, an dem Polizistin Kiesewetter starb. Daher wird in der Ehrenhalle ein Kranz niedergelegt und ein Gesteck mit orangefarbenen Blumen dazu gestellt und nirgends sonst. "Im Gedenken allen Opfern des Naziterrors" steht auf dem Band.

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"An Michèles Todestag werden wir nicht schweigen"

Der Leiter der Heilbronner Polizeidirektion, Roland Eisele, ein großer Mann, ist unter der Schweigenden. Rund ein Dutzend seiner Männer hat er mitgebracht. "An Michèle Kiesewetters Todestag werden wir nicht nur schweigen wie die letzten Jahre", sagt er. Schließlich wisse man jetzt, wer hinter dem Mord steckt.

Eingewickelt in einen schwarzen Mantel erinnert sich Rathauschef Himmelsbach an den Tag, an dem die Schüsse an der Theresienwiese fielen. "Die Stadt war im Ausnahmezustand", sagt er. Der Ausdruck "Polizistenmord Heilbronn" hat sich seither bei Bevölkerung und Medien eingebrannt wie "Amoklauf von Winnenden". Der OB spricht jetzt von einer "gewissen Aufklärungsphase", über die er froh sei. Menschen aus 130 Nationen leben in der Stadt, eine Vielvölkergemeinschaft, die keinen Platz für Nazis hat.

"Heilbronn gegen Rechtsextremismus"

Was der Bürgermeister über die Stadt sagt, sagt Arbeitgeber-Chef Rolf Blaettner über die Beriebe. "Dort haben wir eine kulturelle und ethnische Vielfalt. Der Arbeitsplatz ist ein Ort der Integration." Deshalb schreitet man heute mit den Gewerkschaftern Hand in Hand. Und zwar nicht allein die Funktionäre in der Ehrenhalle. In vielen Betrieben ruht die Arbeit für eine Minute.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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So auch in der nahen Audi-Fabrik. Vor der Ehrenhalle spannen drei Gewerkschafter ein Transparent auf. "Heilbronn gegen Rechtsextremismus", steht darauf. Am 1. Mai war es durch die Stadt getragen worden, als Tausende gegen eine Nazi-Demo Flagge zeigten. "Wir gucken hin", sagt Michael Weiß, Ver.di-Mann und Bannerträger.

Der Tatort bleibt heute leer

Die kurze Gedenkfeier ist vorüber, da geht Karl-Heinz Kübler nochmals in die Halle. Er steht mit gesenktem Kopf vor dem Kranz und dem Gesteck, die heute abgelegt wurden. "Wir müssen wachsam sein gegen jede Art von Extremismus", sagt der pensionierte Polizist und stapft davon.

Auf der Theresienwiese, wo Kiesewetter ermordet und ihr Kollege lebensgefährlich verletzt wurde, gedenkt heute niemand der Nazi-Opfer. Ein paar Lieferwagen eines Paketdienstes parken nebeneinander, jemand führt seinen Hund Gassi.

Einzig zwei Plakate, rund 40 Meter vom Gedenkstein für die tote Polizistin entfernt, angeklebt an einen Zaun und ein Stromhäuschen, weisen auf den Hintergrund der Tat hin. Es sind Fahnungsplakate für Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und ihre kriminellen Helfer.