EU-Ost-Erweiterung "Sorge" und "Misstrauen"

So richtig begeistert waren die Deutschen noch nie, wenn sie nach der Erweiterung der EU gefragt wurden. Inzwischen ist Deutschland in der Beitrittsfrage - je näher der 1. Mai rückt - sogar ein Land der "EU-Skeptiker" geworden.

Je näher der 1. Mai rückt - mit diesem Tag wird es zehn neue EU-Mitglieder geben -, wächst die Sorge vieler Menschen in Deutschland, das Ganze werde sie überfordern. Deutschland ist inzwischen in der Beitrittsfrage ein Land der "EU- Skeptiker" geworden, auf gleicher Ebene mit Frankreich und Belgien, die traditionell die EU-Erweiterung eher abgelehnt haben. Das ergab das neueste Brüsseler "Eurobarometer", mit der regelmäßig die Stimmung der Bevölkerung in den EU-Ländern abgefragt wird.

Überraschender Nebenaspekt: Die Furcht vor der bald viel engeren Nachbarschaft im Osten ist nicht etwa in den neuen Bundesländern besonders groß (62 Prozent sind hier nach wie vor dafür), sondern eher in den westlichen Bundesländern (nur noch 55 Prozent).

Deutliche Zurückhaltung bei Top-Managern und Spitzenpolitikern

Selbst bei Top-Managern, Spitzenpolitikern und Verwaltungschefs, die bislang besonders eifrige Träger des Europa-Gedankens waren, macht sich inzwischen deutliche Zurückhaltung breit: Nur knapp ein Drittel aus dieser Gruppe glaubt, dass die EU die anstehende Erweiterung "gut verkraften" wird. "Weniger gut" antworteten 60 Prozent bei einer Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach.

Wie bei der allgemeinen Reformdebatte in Deutschland ist es auch bei den Europa-Themen: Abstrakt sind alle für Veränderungen, bei direkter Betroffenheit nimmt die Begeisterung rasch ab. So sprechen sich für weitere allgemeine Schritte zur Integration, etwa für eine EU-Verfassung, sechs von zehn Bürgern aus. Sehr große Mehrheiten gibt es auch für die gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik der Union (weit über 70 Prozent).

Wenn aber nach dem aktuellen Image der EU gefragt wird oder nach dem ganz persönlichen Urteil über die Union sinken die Werte zum Teil drastisch. Sie lagen im Oktober 2003 bei 46 Prozent (Anfang 2003 noch: 59 Prozent). Hier spielt wahrscheinlich auch wieder die Furcht vor den Folgen der Erweiterung eine Rolle, sicher aber auch die Diskussion um die Finanzierung der EU.

Brüssel="Geldverschwendung"

"Geldverschwendung" fällt überdurchschnittlich vielen Deutschen (35 Prozent, EU-weit 24 Prozent) ein, wenn sie an Brüssel denken. Dies, obwohl die EU-Kommission seit Jahren ihren Finanzrahmen nicht ausschöpft, sogar überschüssige Gelder zurück überweist.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Sorge" und "Misstrauen" werden inzwischen besonders oft bei Umfragen zur EU genannt. Das sind keine guten Startbedingungen für die beiden großen Europa-Themen, die in den kommenden Monaten - neben den stockenden Verhandlungen über die EU-Verfassung - anstehen: Der Milliarden-Poker um die künftige Finanzierung der auf 25 Länder erweiterten EU und die Europa-Wahl am 13. Juni.

Besonders auf die Wahl zum Europaparlament blicken die Wahlkämpfer der Parteien mit Sorge. Schließlich gilt es, eine miserable Wahlbeteiligung vor fünf Jahre zu verbessern. Sie lag bundesweit damals bei 45,2 Prozent, knapp 15 Prozentpunkte unter der Beteiligung von 1994.

DPA
Frank Rafalski