Familienpolitik Vertrauen kann man nicht kaufen

  • von Sebastian Christ
Die Wirtschaft macht in Familie: schön wär's. Am Nachmittag präsentierte Ursula von der Leyen eine gemeinsame Erklärung von Regierung und Unternehmen, die wohl eher ein Reinfall als ein Durchbruch ist. Weil die Beteiligten die Familie nur als einen Teil der Gewinnkalkulation betrachten.

Ursula von der Leyen zu Gast bei der deutschen Wirtschaft: Pressekonferenz im Haupthaus des Lobbyverbandes, zwanzig Meter hohe Glasdecke, dunkelblaue Anzüge, Perlenketten. Ihr Pressereferent hat den Inhalt ihrer Rede bis zuletzt geheim gehalten. Sie selbst spricht von einem "besonderen Tag" und einer "noch nie dagewesenen Erklärung". Doch statt diesen angeblich so besonderen Anlass gebührend zu feiern, verschwindet die CDU-Politikerin nach fünfzehn Minuten durch eine doppelmannshohe Glastür. Sie wusste wohl, warum.

Eigentlich hätte der Termin nämlich wirklich ein schöner sein können. Fast 400 Unternehmen bekennen sich zu familienfreundlichen Grundsätzen. Das ist soweit gut und ein Schritt in die richtige Richtung. Schade ist nur, dass sich diese Erklärung wie Zuckerwatte im Sommerregen verhält: am Ende bleibt nichts übrig.

"Deutschland braucht mehr Kinder in den Familien und mehr Familie in der Gesellschaft". So beginnt dreiseitige Schriftstück. Die Bundesregierung verpflichtet sich zur Schaffung von besseren Rahmenbedingungen. Stichwort: Ganztagsbetreuung. Und die Wirtschaft will sich um die "Unternehmenskultur" kümmern. Wie, das zeigt eine Ausstellung im Atrium. Vor allem in Betreuungsplätze wollen die Firmen investieren. Oder in andere "familienfreundliche Maßnahmen", wie es dort wolkig hieß.

Dass die Erklärung nur eine unverbindliche ist, versteht sich von selbst. Und schon der Titel des Papiers lässt Zweifel aufkommen am neuen Wertebewusstsein der deutschen Wirtschaft: "Erfolgsfaktor Familie". Dahinter steckt die nicht besonders neue Erkenntnis, dass das persönliche Wohlempfinden der Mitarbeiter Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens hat.

Aus dieser Kosten-Nutzen-Perspektive argumentieren von der Leyen und die Wirtschaft. "Es rechnet sich für die Unternehmen", sagt die Familienministerin. Oder: "Familien sind für den wirtschaftlichen Erfolg entscheidend." Dass Familienförderung in der Wirtschaft nicht nur etwas mit materiellen Hilfen und Firmenkitas zu tun hat. übersieht von der Leyen. Es geht, das ist wissenschaftlich abgesichert, zu allererst um Vertrauen.

Kleine Betriebe familienfreundlicher

Nimmt mein Chef mir übel, wenn ich wegen eines Kinderarzttermins mal zwei Stunden später ins Büro komme? Schwäche ich meine Position in der Firma, wenn ich Elternzeit nehme? Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt Überraschendes auf: Beschäftigte fühlen sich mit ihrem familiären Bedürfnissen am besten in kleinen Firmen aufgehoben, weil sie ihre Vorgesetzten kennen und deren Reaktion einschätzen können. Laut Böckler-Studie wird die betriebliche Atmosphäre weit höher eingeschätzt als mit Geld bezahlbare, "familienfreundliche Maßnahmen".

1500 Firmen hatten sich am Unternehmensnetzwerk "Erfolgsfaktor Familie" beteiligt, aus dessen Kreis die für das Papier federführende "Impulsgruppe" stammt. Aber nur 379 haben es schlussendlich auch unterschrieben. Die CDU-Frau spricht deswegen von einer "Avantgarde" unter den Wirtschaftsbossen, die sich jetzt zur Förderung der Familie bekenne. Erstaunlich: Denn Mut gehörte zur Unterzeichnung der Erklärung sicherlich nicht dazu.