Die Frage an die Parteibasis war einfach und direkt: "Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?" Antworten konnte man mit "Ja" oder "Nein". Seit dem 18. Dezember hatte die FDP ihre Mitglieder befragt, nachdem ein Antrag für dieses Verfahren die nötige Stimmenzahl von 500 erreicht hatte.
Das Ergebnis kam mit dem neuen Jahr. Demnach will eine knappe Mehrheit in der Ampel-Koalition bleiben. 52,24 Prozent der Abstimmenden sind dafür, weiter mit SPD und Grünen zu regieren. 47,76 Prozent möchten die Koalition verlassen. Es beteiligten sich 26.058 der rund 72.100 Parteimitglieder, also etwas mehr als ein Drittel.
So viel ist klar: Es hätte schlimmer kommen können für Christian Lindner und die FDP-Führung. Aber was heißt das nun für die Partei und die Regierung – hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was folgt jetzt konkret aus der Mitgliederbefragung?
Es war schon vor der Befragung klar, dass das Ergebnis nicht bindend sein würde, wie immer es auch ausgefallen wäre. Eine Mitgliederbefragung ist anders als ein Mitgliederentscheid nur dafür da, ein Stimmungsbild von der Basis einzuholen. So sieht es die Satzung der FDP vor. Dass nur 500 Mitglieder nötig sind, um einen solchen Prozess anzustoßen, hatte die Parteiführung im Vorfeld als positives Merkmal einer "Mitmachpartei" verkauft.
Was man nun aus dem Ergebnis lesen kann, ist dementsprechend eine Frage der Interpretation. Man kann es natürlich als Erfolg sehen, dass in der Weihnachtszeit mehr als ein Drittel der Mitglieder abgestimmt haben und sich dafür als "digitale Mitmachpartei" feiern. Oder man kann sich fragen, ob der Rest aus Desinteresse, Abneigung oder Zustimmung zur Ampel davon abgesehen hat.
Auch die Ursachenforschung kann verschiedenen Ansätze folgen. Warum ist die Zustimmung zur Ampel so knapp? Liegt es daran, dass die Liberalen nicht genug in der Regierung durchsetzen? Könnte es etwas damit zu tun haben, dass die Parteiführung der Liberalen selbst so oft schlecht über "diese linke Regierung" spricht, deren Korrektiv man sein will. Oder sind viele FDP-Mitglieder einfach dauerschlechtgelaunt, wenn sie Vizekanzler Robert Habeck im Fernsehen sehen und sich erinnern, dass man mit ihm gemeinsam regiert?
Eines aber lässt sich zweifelsfrei festhalten: Für alle, die es nicht glauben wollten, hat die FDP jetzt ein für alle Mal dokumentiert, wie unbeliebt bis verhasst die Ampel in einem Teil der Partei ist, der so groß ist, das man ihn nicht einfach ignorieren kann.
Wie hat die Parteispitze reagiert?
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte sich zufrieden. Er sieht in dem Ergebnis eine "Rückenstärkung der FDP-Führung". Die überwiegende Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder wolle, dass die FDP weiter Verantwortung übernehme.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Auch Parteivize Wolfgang Kubicki freute sich über das Ergebnis. "Die Partei will die weitere Beteiligung der FDP in der Regierung mit klarer Mehrheit", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Die "schweigende Mehrheit" habe offenbar auch keinen Austritt aus der Regierung gewollt. "Mit diesem Rückenwind machen wir es jetzt gestärkt besser in der Koalition." Kubicki, der selbst selten an Ampel-Kritik sparte, hofft jetzt: "Das Genöle muss aufhören." Schließlich wolle man 2025 bei der nächsten Bundestagswahl wieder ein zweistelliges Wahlergebnis einfahren.
Kehrt bei der FDP jetzt Ruhe ein?
Die Parteiführung hat im Januar ausreichend Gelegenheit, ganz offensiv Geschlossenheit und Zuversicht zu demonstrieren. Erst treffen sich die Liberalen traditionell am Dreikönigstag in Stuttgart, wo Lindner und Djir-Sarai eine Rede halten werden. Dann folgt Ende des Monats der Europaparteitag in Berlin. Als Spitzenkandidatin für die Europawahl wird die Partei dort Marie-Agnes Strack-Zimmermann aufstellen. Die Grande Dame der FDP wird ihr rhetorisches Talent wohl zu nutzen wissen, bei den Liberalen nach Wochen der Selbstbefassung neue Motivation zu entfachen.
Die Basis-Rebellen, die die Befragung überhaupt erst angezettelt haben, werden das knappe Ergebnis verkraften können. Es womöglich als Beleg nehmen, wie gut ihre Instinkte waren. Spätestens beim Bundesparteitag Ende April werden sie eine neue Chance suchen, auf großer Bühne für einen Austritt aus der Ampel zu werben. Es ist schließlich nicht ausgeschlossen, dass die Bundesregierung auch dann in einer tiefen Krise steckt und die FDP in Umfragen wieder unter fünf Prozent fällt.
Für all die Ampel-Kritiker in der FDP-Bundestagsfraktion, die zum Beispiel ordentlich Stimmung gegen "Habecks Heizungshammer" gemacht haben, hätte die Mitgliederbefragung hingegen nicht besser laufen können. Sie müssen keine Neuwahlen fürchten und dürfen weiter mitregieren – und sich dabei stets darauf berufen, wie unbeliebt die Ampel doch bei den eigenen Leuten ist. Was vorher nur ein bauchgefühltes Argument für Opposition in der Koalition war, ist nun bestens dokumentiert.
Was bedeutet das nun für die Ampel?
Ja, SPD und Grüne können erst einmal durchatmen. Ganz kurz vielleicht. Eine größere Debatte über einen Ampel-Austritt der FDP bleibt ihnen bei diesem Ergebnis erspart. Ein Problem weniger, so wird das der Kanzler sehen. Ansonsten aber ändert sich wohl wenig. "Die Mitglieder wünschen sich eine klare liberale Handschrift in der Regierung", hat FDP-General Djir-Sarai die Losung ausgegeben. Nur war das eben auch schon die Losung vor der Mitgliederbefragung.
Man kann viele Beispiele auflisten, die belegen, dass die FDP im Verhältnis zu ihren 11,5 Prozent bei der vergangenen Bundestagswahl ordentlich eigene Projekte durchgesetzt hat. Die liberale Handschrift ist erkennbar. Nur offenbar umso deutlicher, je weiter man sich von der FDP-Basis entfernt. Was letztlich zurück zu der Frage führt: Welchen Anteil hat die Parteiführung mit ihrer Kommunikation selbst daran, dass die Ampel in den eigenen Reihen so unbeliebt? Der Ruhepuls der Ampel ist abhängig davon, wie die FDP-Spitze dieses Henne-Ei-Problem bewertet – und welche Lehren sie daraus zieht.
Und was ist mit Christian Lindner?
Eine Absage der Mitglieder an die Ampel wäre nach den klassischen Gesetzen der Machtpolitik auch ein Misstrauensvotum gegen den Parteichef gewesen. Lindner hat stets betont, die FDP sei aus staatspolitischer Verantwortung in diese Regierung gegangen. Entsprechend fiel seine Reaktion auf die Befragung aus. Das Ergebnis bewertete er als "klaren Auftrag, im Regierungshandeln weiter liberales Profil zu zeigen". Der Bundesfinanzminister schrieb auf X (vormals Twitter), er sehe den Ausgang der Abstimmung "als Ausdruck der Verantwortung für Deutschland".
Wer die Verantwortung für die FDP übernommen hätte, wäre das Ergebnis nur minimal anders ausgefallen – das ist eine weitere Debatte, die den Liberalen zum Glück erspart bleibt. Denn so groß die Unzufriedenheit mit der Ampel bei manchen Mitgliedern auch sein mag, bislang gibt es keinerlei Anzeichen, das sich das negativ auf die Zufriedenheit mit Lindner als Parteichef und Minister auswirkt.
Das ist, einerseits, die gute Neujahrbotschaft für die Parteispitze.
Andererseits: Wer sollte den Job auch sonst machen?