FDP-Spitze in der Kritik Dicke Luft von unten

Eine schwere Watsch'n von der Basis musste sich FDP-Parteichef Guido Westerwelle am Sonntag gefallen lassen. Bei den Kreisvorsitzenden wächst der Unmut über die zunahmend schlechten Umfrageergebnisse der Liberalen. Westerwelle lehnte es ab, den Parteivorsitz abzugeben und ging seinerseits in die Offensive.

Die FDP-Spitze sieht die Partei nach einer monatelangen Durststrecke im Aufwärtstrend. Das Motto laute "Raus aus der Defensive, rein in die Offensive", sagte Partei-Chef Guido Westerwelle bei einer Konferenz mit Kreisvorsitzenden am Sonntag in Berlin. Die Mitglieder mahnte er zu mehr Geschlossenheit und Selbstbewusstsein. Von den Teilnehmern wurde bei dem Treffen allerdings teils harsche Kritik an der Parteiführung laut. Ob der Schlussstrich unter die quälenden Kurs- und Personaldebatten gelingen kann, bleibt damit zweifelhaft.

Als Reaktion auf den Absturz in den Umfragen und den Unmut der Mitglieder hatte die FDP-Führung die Basis zu insgesamt vier Regionalkonferenzen geladen. Die Veranstaltung am Sonntag, zu der rund 250 der 400 Verbandschefs kamen, bildete den Abschluss. Generalsekretär Christian Lindner sagte, die FDP habe sich lange genug mit sich selbst beschäftigt. "Viel zu lange haben wir die anderen geschont, viel zu lange haben wir nicht auf die Alternativen hingewiesen."

Westerwelle unterstrich, die FDP setze ihre Vorstellungen um. Dies betreffe den Energiesektor ebenso wie die Steuerpolitik. Die FDP werde die Wahlen im nächsten Jahr aber nur gewinnen, "wenn wir selbstbewusst auftreten und nicht jeden Vorwurf der Gegner uns so zu Herzen nehmen, dass wir mit hängenden Schultern auf die Marktplätze gehen". Westerwelle mahnte die Basis, sich von Widerständen, Attacken und Diffamierungen der Gegner nicht entmutigen zu lassen. "Eine Partei, die regieren will, muss auch stehen." Zudem dürfe sie sich nicht von Umfragen "weichklopfen" lassen.

Westerwelle wird eine Mitschuld am Fehlstart der schwarz-gelben Koalition und dem Einbruch in den Umfragen gegeben, nach denen die FDP derzeit um den Wiedereinzug in den Bundstag bangen müsste. Bei der Bundestagswahl hatten die Liberalen knapp 15 Prozent erzielt. Vor der Sommerpause hatte der Außenminister Fehler eingestanden und eine Abkehr vom Image der Steuersenkungspartei sowie eine größere Arbeitsteilung versprochen.

Parteichef fordert Geschlossenheit

Am Sonntag gab es dann vereinzelt heftige Kritik an Westerwelle. Der Gütersloher Kreisvorsitzende Michael Bövingloh äußerte Unverständnis, dass Westerwelle das Außenamt übernommen habe und bezeichnete ihn in dieser Funktion unverhohlen als "Grüßaugust". Es sei unverständlich, warum die FDP nicht das Finanzministerium beansprucht habe.

Zudem wurde moniert, dass mit Rücksicht auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen wichtige Beschlüsse zu Beginn der Regierungszeit aufgeschoben worden seien. Kai Gersch vom Kreisverband Berlin-Spandau sagte, das Glaubwürdigkeitsproblem sei auch mit einem "Best of" der letzten Parteitagsreden nicht wegzudeuten. Gebraucht werde mehr Ehrlichkeit.

Von der Massivität der Kritik wurde die Parteiführung überrascht. Die ohne Beteiligung der Presse veranstalteten vorherigen Konferenzen seien wesentlich zahmer gewesen, hieß es. Erst nach einer Reihe kritischer Stimmen meldeten sich dann Mitglieder zu Wort, die sich hinter Westerwelle stellten und dessen Mine aufhellten.

Westerwelle lehnte es ab, den Parteivorsitz abzugeben und verwies auf Erfolge der vergangenen Jahren. Es sei klar, dass er als Vorsitzender das "Sperrfeuer" zu spüren bekomme. Eine schwierige Lage sei aber nicht dadurch zu wenden, "indem man den ein oder anderen in der Führung anschießt". Für Westerwelle bleibt die Situation aber brisant. "Wenn sich die Umfragewerte nicht verbessern, dann ist er nicht zu halten", sagte ein führendes Parteimitglied.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Um zurück in die Offensive zu kommen, wollen die Liberalen nicht nur auf entschiedene Sanktionen in der EU bei Verstößen gegen Defizitsünder drängen. Lindner wie auch Fraktionschefin Birgit Homburger pochten zudem darauf, das Thema Steuervereinfachung wie auch die Reform der Mehrwertsteuer jetzt schnell anzugehen. Bei anhaltendem Spardruck werde es in der zweiten Hälfte der Wahlperiode möglich sein, den Bürgern "eine Spardividende in Form einer Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen auszuzahlen", sagte Lindner.

Reuters
Thorsten Severin, Reuters