Fischer Vorbei mit Kerneuropa

Bundesaußenminister Joschka Fischer sagt jetzt nein zur Bildung eines Kerneuropas besonders integrationswilliger Staaten.

Fischer antwortete in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der "Berliner Zeitung" auf die Frage, ob die Idee von Kerneuropa passe sei, mit den Worten: "Ich meine: ja." Er sei zwar mehr denn je überzeugt, dass Europa mehr Integration und stärkere Institutionen brauche. "Aber klein-europäische Vorstellungen teile ich nicht mehr", fügte er hinzu. Das Konzept einer europäischen Avantgarde könne unter Umständen zeitweise nützlich sein. "Aber nur innerhalb des fest verankerten Rahmens der europäischen Verfassung", schränkte Fischer ein.

Europäische Verfassung noch in diesem Jahr

Fischer sagte, er hoffe, dass die europäische Verfassung noch in diesem Jahr verabschiedet werde, die bisher durch einen Streit über die künftigen Mehrheitsverhältnisse blockiert ist. Er bekräftigte aber die deutsche Position, wonach die EU ihre Beschlüsse mit einer Mehrheit der Staaten fassen sollte, die auch einer Mehrheit der Bürger der EU entspreche. "Wir sind der festen Überzeugung: Besser jetzt keine als eine schlechte Verfassung", sagte er. Eine Verwässerung in diesem Kernbereich würde zu einer schlechten Verfassung führen.

Werde die EU-Verfassung nicht verabschiedet, werde Europa "in sehr schwieriges Fahrwasser kommen", sagte Fischer. So würden auch verschiedene Integrationsgeschwindigkeiten zwischen den Staaten entstehen. "Wir wollen das nicht", unterstrich er. Es könne sich deswegen auch nur um eine Übergangsphase handeln. "Ich glaube, der Druck wird so stark werden, dass die Gesichte die Dinge in einer andere Richtung schreibt", sagte er.

Fischer bekräftigte, dass ein Beitritt der Türkei zur EU wünschenswert sei. Die Anschläge vom 11. September 2001 auf die USA hätten ihm gezeigt, dass die europäische Einigung auch eine strategische Dimension habe: "Hier wäre eine Türkei, die europäischen Standards entspricht, ebenso von größter Bedeutung wie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU."