Herr März, wir begrüßen Sie. Oder sollen wir Sie Gladiator nennen?
Ich heiße Erich Schmidt-Eenboom. Dass ich für den Bundesnachrichtendienst (BND) zwei Decknamen wert war, ist bestimmt zu viel der Ehre.
Waren Sie Opfer oder Täter?
Ich fühle mich in erster Linie als Opfer. Bundesrichter Schäfer, der den Vorgang untersucht und für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) aufgeschrieben hat, sprach mir gegenüber von Totalüberwachung meiner Person. Alles wurde vom BND ausgespäht: meine Wohnung, mein Privatleben, meine dienstlichen und privaten Reisen, meine Kontakte.
An welcher Stelle waren Sie Täter?
Das Etikett Täter weise ich zurück. Ich habe aber an zwei Stellen schwere Fehler gemacht. Einmal habe ich einen Informanten in Gesprächen mit dem BND de facto preisgegeben. In einem anderen Fall habe ich mich gegenüber dem BND unvorsichtig geäußert, sodass ein Informant identifiziert werden konnte.
Die "Süddeutsche Zeitung" behauptet, der BND habe Sie 2002 als Quelle angeworben.
Das ist völlig falsch. Der BND hat mich ab 1997 benutzt als Quelle in Hintergrundgesprächen, die ja immer ein Nehmen und Geben sind.

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Das Blatt behauptet, Sie hätten dem BND verraten, in der TV-Redaktion "Monitor" sei ein Bericht über BND-Interna geplant.
Das ist ein Witz. Ich habe nichts verraten. Von mir stammt das Exposé für eine ganz andere WDR-Sendung. Die war mein Projekt. Eine absolute Lüge ist auch die Behauptung, ich sei im Auftrag des BND nach Hamburg gereist, um dort für 10 000 Mark ein für den BND blamables Dossier aufzukaufen. Das ist völliger Quatsch. Ich war zwar in Hamburg, aber aus ganz anderem Anlass, es ist auch nichts gekauft worden. Ich hatte keine müde Mark in der Tasche, als ich nach Hamburg fuhr.
Die komplette BND-Story
... lesen Sie im aktuellen stern, der seit Mittwoch am Kiosk liegt.
Sie haben sich seit 1997 regelmäßig mit dem BND-Beamten Bessel getroffen. Haben Sie ihm auch Material überlassen?
Ich habe damals an meinem Buch "Undercover" gearbeitet. Darin habe ich Material für ein bestimmtes Kapitel verarbeitet, das aus einem Nachlass stammte. Dieses Material habe ich dem BND überlassen - für zehn Pfennig pro kopierter Seite.
Sie haben mit Bessel Kontakt bis 2005 gehabt. Wer ist dieser Mann eigentlich?
Ein gewiefter Spitzenbeamter, der Sonderaufträge des BND-Präsidenten erledigt.
1997 war Hansjörg Geiger BND-Präsident. Hat er gewusst, dass Bessel Sie kontaktierte?
Ja, denn Bessel sagte, er komme im Auftrag des Präsidenten, um das bestehende Feindverhältnis aufzubrechen. Das hat auch Herr Woessner bestätigt, der Abteilungsleiter "Sicherheit".
Wie können Sie BND-Opfer sein, wenn Sie den Dienst mit Material versorgen? Sie haben mit den Schlapphüten Geschäfte gemacht.
Ich sehe da kein Problem, denn ich habe weiterhin sehr kritisch über den BND geschrieben. Und Geld floss damals nicht.
BND-Affäre
Nicht im Bericht
Der stern schrieb vergangene Woche, auch "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust sei observiert und fotografiert worden. "Der BND verdächtigte ihn", so zitierte der BND-Experte Erich Schmidt-Eenboom aus dem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Schäfer, Aust beschäftige dort "polnische Wanderarbeiter zu Mini-Löhnen". Das ist offensichtlich falsch. Von Stefan Aust, der vom stern leider vorher nicht dazu gehört wurde, wird dies vehement bestritten. Es steht auch nicht so in dem Schäfer-Bericht. Erich Schmidt-Eenboom will dies von jemandem erfahren haben, der sich auf BND-Mitarbeiter berief, die ein Foto von Aust auf seinem Landsitz verkaufen wollten. Er wollte mit diesem Satz deutlich machen, dass der BND nicht einfach nur Fotos machte, sondern offenbar belastendes Material finden wollte.
Der stern hat sich bei Stefan Aust entschuldigt und stellt den Sachverhalt hiermit richtig.
Später haben Sie aber eine BND-Spende akzeptiert, rund 1000 Euro.
Eine Spende betrug 494 Euro, dann kamen noch zweimal 244 Euro.
Sehen Sie ein, dass Sie damit Ihre Glaubwürdigkeit als BND-Kritiker ruiniert haben?
Rückblickend betrachtet war es ein unheimlicher Fehler. Aber die haben das Geld unter dem Tarnnamen "Roland Uhl" an mein gemeinnütziges Forschungsinstitut geschickt, was mir Bessel erst einige Wochen später verraten hat. Leider habe ich das Geld dann nicht umgehend zurückgeschickt.
Geschäfte mit dem BND wollen Sie nicht gemacht haben. Enge Kontakte gab es. Was sind Sie eigentlich? Publizist?
Geheimdienstforscher. Denn mein Ziel war und bleibt, gesicherte Bücher über den BND zu schreiben.
Und dafür liefert man den Geheimen Infos?
Hintergrundgespräche gehören dazu. Weil manche BND-Leute keine Bücher lesen, erzählt man dabei denen auch mal, was in den Büchern schon als Fußnote veröffentlicht ist - und die machen dann eine wichtige Meldung draus für ihre Chefs.
Dafür sind Sie jetzt in Ihrer Rolle als Kritiker des BND arg beschädigt.
Der Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. Schließlich habe ich diese ganze BND-Schnüffelaktion gegenüber Journalisten losgetreten. Ich bin der Aufdecker der BND-Observationsaffäre. Die ist der Bundesregierung so peinlich, dass sie die Spitzelei von einem Tag zum nächsten verboten hat. Mir ist es zu verdanken, dass das schöne Bild vom neuen, sauberen BND nicht länger haltbar ist. Die lernen es wohl nie, sich an Recht und Gesetz zu halten.
Sie sollen anonym davor gewarnt worden sein, Ihre Observierung öffentlich zu machen, sonst werde man Sie "abschlachten".
Ja, im September 2005.
Wann haben Sie Bessel informiert?
Im Juli 2005. Der damalige BND-Präsident Hanning hat daraufhin eine Prüfung meiner Vorwürfe wegen der Observierung angeordnet. Das mir mitgeteilte Ergebnis: Das sei nur Gequatsche von BND-Mitarbeitern, da sei nichts dran. Doch kurz darauf tauchte Bessel wieder auf mit Fotos von 20 BND-Mitarbeitern, die mich observiert hatten. Ich solle doch mal mit dem Finger auf meinen Informanten zeigen. Er habe höchste Rückendeckung. Ich hab den Teufel getan, nicht mal einen Blick auf die Fotos geworfen.
Höchste Rückendeckung: Hanning wusste Bescheid?
Er ist im Juli im Urlaub in der Steiermark unterrichtet worden. Ich habe dann gefordert: Ich will eine öffentliche Entschuldigung des Präsidenten, will alle Akten, Dokumente und Filme aus der Observation sehen. Mein Anwalt hat das auch dem Kanzleramt mündlich mitgeteilt. Das war Ende Juli - seither hat man dort Bescheid gewusst.
Aber nichts geschah. Weshalb hat Geheimdienstkoordinator Uhrlau nicht reagiert?
Uhrlau wurde gar nicht erst informiert. Seine Beamten saßen doch damals auf gepackten Koffern, dachten, die Wahl ist verloren, haben sich den damals bekannten Zeitraum der Bespitzelung angeguckt und gedacht: Das haben die Schwarzen gemacht, sollen das doch ihre schwarzen Nachfolger ausbaden.
Wann genau kam die anonyme Drohung, man werde Sie "schlachten"?
Ende September 2005. Ich denke, der Schäfer-Bericht hat etwas vom Charakter dieser Drohung. Der BND hat Schäfer ja nur sehr ausgesuchte Akten zur Verfügung gestellt. Zum Beispiel fehlt alles über die unsittlichen Angebote Bessels an mich. Er hat mir mehrfach gesagt: Wenn Sie mal eine Einbauküche brauchen oder einen Kopierer - kein Problem für uns, wenn Sie uns dafür mit Informationen über Informanten ein bisschen weiterhelfen. Ich habe diese schmutzigen Angebote immer abgelehnt.
Hat Schäfer mit Bessel geredet?
Nein. Dabei ist er eigentlich die zentrale Figur. Schäfer hat sich berichten lassen über die Gespräche zwischen Bessel und mir.
Von wem?
Von BND-Sicherheitschef Ober. Der hat Schäfer von einer gewachsenen Beziehung zwischen mir und Bessel erzählt. Bessel sei entnervt, weil er von all dem nichts gewusst hat, was gegen mich gelaufen ist.
Gab es auch Lauschangriffe gegen Sie?
Im Juni 1996 hat eine Spezialfirma mein Institut überprüft. Wanzen gab es keine, aber Messungen an Telefon und Fax haben ergeben, dass diese abgehört werden. Ich bin sicher, dass der BND Faxe von mir abgefangen hat.
Schäfer schreibt, es habe keine genehmigte Abhöraktion gegen Journalisten gegeben.
Das sagt wenig aus. Es gibt in München einen Klüngel von BND-Spitzeln, Spähern des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und Verfassungsschutz-Observanten. Die trafen sich in der Vergangenheit einmal im Monat zum Stammtisch in einer Kneipe. Am Observantenstammtisch ging es nicht nur um Geselligkeit, sondern auch darum: Dem BND ist das und das verboten, könnte das nicht mal der MAD erledigen oder der bayerische Verfassungsschutz? So locker wird die gesetzliche Trennung der Nachrichtendienste auf dieser Ebene ausgehebelt.
Hat der BND illegale Lauschangriffe gefahren?
Ich habe den starken Verdacht, kann es aber nicht beweisen. Technisch gemessen bin ich abgehört worden. Und es gibt Indizien, dass es der BND war. Die haben Schäfer doch nur das geliefert, was ihnen in den Kram passte. Was sie weiter belasten könnte, haben sie unterschlagen.
Was taugt der Schäfer-Bericht?
Der enthält höchstens die halbe Wahrheit. Er wimmelt nur so von Fehlern. Denn er ist ja auch kein Bericht von Schäfer, sondern er trägt nur zusammen, was ihm aus den BND-Akten zur Verfügung gestellt worden ist. Das ist kein Untersuchungsbericht.
Wurde Schäfer vom BND manipuliert?
Allein durch die Auswahl der Akten ist gezielt darauf hingearbeitet worden. Weshalb steht zum Beispiel nicht drin, dass sie mir mal einen Kopierer angeboten haben? Über den Bericht versucht der BND jetzt, Kritiker zu schlachten.
Haben die BND-Chefs Porzner, Geiger, Hanning und Uhrlau von der Ausspähung von Journalisten gewusst?
Porzner hat meine Observierung persönlich angeordnet, gestoppt und wieder angeordnet. Bei Geiger steht für mich fest, dass er die Spitzelei weiterlaufen ließ, weil ich sehr sensible BND-Daten über seine Person zugespielt bekam. Geheimdienstkoordinator Schmidbauer hat meiner Meinung nach nichts gewusst. Er hat dem BND gesagt, schützt eure Lecks, nicht aber: observiert Journalisten. Der wollte es so genau gar nicht wissen. Hanning sagt mir, alle Aktionen seien an ihm vorbeigelaufen. Er sprach beim Gespräch mit mir von heruntergekommener Dienststelle, Aktenwirrwarr und fehlender Dienstaufsicht. Da seien Dinge gelaufen, die er nie erfahren habe.
Frank-Walter Steinmeier, früher politisch verantwortlich als Kanzleramtschef für die Geheimdienste, sagt, der BND sei unter der rot-grünen Regierung nie der politischen Kontrolle entglitten. Stimmen Sie dem zu?
Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Ein Dienst im Dienst hat sich am Kanzleramt und den BND-Präsidenten vorbei schwerwiegende Rechtsbrüche geleistet. Diese Seilschaften müssen dringend aufgelöst werden.
Sollte man den BND am besten abschaffen?
Nein. Wir brauchen einen funktionierenden Auslandsgeheimdienst. Aber man sollte ihm das Recht nehmen, zur Eigensicherung im Inland zu spitzeln. Verdächtigt der BND einen Mitarbeiter, dann soll er das Verfahren an den Verfassungsschutz abgeben. Wir brauchen vor allem einen Inspekteur der Nachrichtendienste.
Der Koordinator im Kanzleramt und der BND-Chef haben den Laden nicht im Griff?
Nein. Als die Observationsabteilung durch einen Beauftragten des Präsidenten untersucht werden sollte, haben Referatsleiter ihm die Türe vor der Nase zugeknallt und ihm erklärt: Du kommst hier nicht rein. Der Präsident musste den Herren erst mit Dienstenthebung drohen, ehe sie aufmachten.
Benutzt der BND Stasi-Methoden?
Alle Nachrichtendienste arbeiten mit denselben Methoden. Doch man darf deshalb nicht den Vorwurf erheben, es sei beim BND wie früher bei der Stasi. In der DDR wäre ich ruck, zuck in Bautzen verschwunden.