Gesundheit Beiträge steigen, Kosten explodieren

Die Versichertenbeiträge könnten massiv steigen: Die Krankenkassen erwarten Beitragssätze von mehr als 15 Prozent. Ihre Verwaltungskosten sind zudem um zwei Milliarden Euro angewachsen.

Die Krankenkassen erwarten nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" in den nächsten Jahren stark steigende Beiträge. Die Zeitung beruft sich auf ihr vorliegende neue Berechnungen der Kassen. Danach fehlen diesen bis zum Jahr 2009 etwa 13,1 Milliarden Euro, der durchschnittliche Beitragssatz könnte von 14,2 Prozent des Bruttolohns auf 15,6 Prozent klettern. Nach den Plänen der großen Koalition soll der Beitragssatz im kommenden Jahr um 0,5 Prozentpunkte steigen.

Die Berechnungen basieren nach dem Bericht auf den Folgen der Gesundheitsreform und aktuellen Trends. So erwarten die Kassen, dass die Kosten jährlich um 3,5 Milliarden Euro steigen und sich die jüngste Ausgabenentwicklung leicht abgeschwächt fortsetzt. Daneben senkt der Staat die Zuschüsse an die Kassen, außerdem leiden diese unter der Mehrwertsteuererhöhung, die zum Beispiel Arzneien kräftig verteuert.

"Ausgaben der Kassen steigen"

Der Vorstandsvorsitzende der Ersatzkassenverbände, Doris Pfeiffer, schließt Beitragserhöhungen nicht aus. Er sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Wenn die Entwicklung so weiterschreitet, wenn nichts passiert, ... dann wird es zu diesem Finanzbedarf kommen." Die Einnahmeverluste drohten infolge der geplanten Gesundheitsreform und der Mehrwertsteuererhöhung am 1. Januar, sagte sie. "Wenn wir kostendeckende Beiträge bekämen, hätte das sicherlich auch einen erheblichen Stabilisierungseffekt." Die Ausgaben der Kassen stiegen an, erklärte sie. Die Vorsitzende der Ersatzkassenverbände verteidigte auch die Informationskampagne der gesetzlichen Krankenkassen zur Gesundheitsreform. Die Aktivitäten würden fortgesetzt. Die Kassen hätten die Möglichkeit zu informieren und Interessen wahrzunehmen

Die Beiträge könnten aber noch stärker wachsen, weil die Berechnungen vieles nicht berücksichtigten wie etwa die neuen Ärztehonorarregeln, für die die Kassenärztliche Bundesvereinigung Zusatzkosten von 4,5 bis 5 Milliarden Euro veranschlagt habe. Die "Bild"-Zeitung hatte zudem berichtet, dass die Verwaltungskosten der über 250 gesetzlichen Krankenkassen in den letzten zehn Jahren um insgesamt zwei Milliarden Euro gestiegen sind. Wie das Blatt in unter Berufung auf eine Statistik des Bundesgesundheitsministeriums berichtet, gaben die Kassen 1995 noch 6,1 Milliarden Euro für ihre eigene Verwaltung aus. Bis 2005 seien die Ausgaben auf 8,15 Milliarden Euro gestiegen. Dies entspreche 161,84 Euro pro Mitglied.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Annette Widmann-Mauz, hat sich gegen kritische Äußerungen aus der Koalition zum geplanten Gesundheitsfonds gewandt. Sie könne verstehen, dass sich jede Seite eine Reform in Reinkultur auf Grundlage ihrer eigenen Vorstellungen gewünscht hätte, sagte die CDU-Politikerin der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. In einer Koalition seien jedoch Kompromisse notwendig. Der Fonds sei mehr als der kleinste gemeinsame Nenner. „Wenn es nur ein Placebo wäre, dann kann ich mir nicht vorstellen, warum der Widerstand bei den Kassen so hoch ist.“ Der Fonds werde dazu führen, dass die Kassen künftig in einen Wettbewerb um die attraktivste Versorgung und nicht wie bisher um die attraktivsten Versicherten träten.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Elke Ferner hatte gesagt, wenn die SPD die Reform ohne die Union machen könnte, würde es keinen Fonds geben. Er sei aber der einzige Weg, um einen besseren Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen zu bekommen. Die Unions-Mittelstandsvereinigung hatte den Fonds als „Placebo“ kritisiert.

Regierungsberater will Zentralisierung

Der Regierungsberater und Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem nannte es hingegen wirtschaftlich sinnvoll, den Fonds zu zentralisieren. Dadurch würden aber wohl mehr Arbeitsplätze verloren gehen als an anderer Stelle geschaffen würden, sagte er Reuters. Wer jedoch Bürokratieabbau wolle, müsse offen sagen, dass dies auch den „Abbau von Bürokraten“ bedeute.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Wasem übte ebenfalls Kritik am geplanten Fonds. Ein Manko der Reform sei, dass Kapitaleinkünfte und Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht zur Finanzierung des Gesundheitswesens herangezogen werden sollten. „Dafür wäre der Fonds eine elegante Lösung gewesen.“ Der Experte fügte hinzu: „Für das, was übrig geblieben ist, dafür braucht man ihn nicht.“ Der geplante Steuerzuschuss für die Krankenversicherung von Kindern soll zunächst nur den gesetzlichen Kassen zu Gute kommen. Das sagte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) der "Berliner Zeitung". «Die politische Vereinbarung ist, dass zunächst die gesetzlichen Kassen einen schrittweise steigenden Abschlag für die Finanzierung der kostenfreien Kindermitversicherung erhalten», sagte die Ministerin.

Erst wenn der Steuerzuschuss die gesamten Kosten der gesetzlichen Krankenkassen für die Kinder in Höhe von 14 Milliarden Euro abdecke, würden auch die Beiträge der privat versicherten Kinder über Steuermittel finanziert. "Verfassungsrechtlich ist dann eine unterschiedliche Behandlung der Kinder gar nicht möglich", sagte Schmidt. Die Kosten für Kinder, die bei privaten Kassen versichert sind, werden auf weitere 2 Milliarden Euro veranschlagt.

DPA · Reuters
DPA/Reuters