Ganz klar, hier ist Einsatz angesagt. Zwischen den Fitnessgeräten steht ein Trainer, Ohrring, glatzköpfig, muskelbepackt und tätowiert: "Wechseln!", brüllt der Holländer, und sofort wechseln die stumm ackernden Männer auf ein anderes Gerät. Sprachlos ist kurzfristig auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU): Ein Fitnesscenter für Arbeitslose, das hat sie nicht erwartet in Amsterdam. "Das ist schon verblüffend", kommentiert sie die Einrichtung später und lobt: "Aber es ist überzeugend - wer arbeiten will, muss fit sein."
Noch keine 100 Tage im Amt, besuchte die CDU-Politikerin Ende vergangener Woche die Niederlande. Sie woll wissen, wie sie das machen, die Holländer: gerade mal vier Prozent Arbeitslosigkeit - europäische Spitzenleistung - und ein ebenso knallhartes wie effizientes Betreuungsregime für die Arbeitslosen. Bei 8,2 Prozent Arbeitslosigkeit und einer bislang ziellosen Grundsatzdiskussion in Deutschland lohnt der Blick über die Grenze.
Sanfter Druck, harte Regeln
Von der Leyens Fazit: "Die Niederlande sind der deutschen Entwicklung voraus." Den Satz bringt sie nicht nur einmal. Tatsächlich hat Holland 2004 radikal umgestellt: "Jeder hat gesehen, dass es nicht weitergeht. Wir hatten eine Million Erwerbsunfähige, bei sechs Millionen Beschäftigten", sagt der niederländische Arbeitsminister Piet Hein Donner. Seit der Reform gilt das US-Prinzip: Work First, Arbeit geht vor.
Wer die im Vergleich zu Deutschland höhere Leistung haben will, wird sanft, aber nachdrücklich zu Eigenleistungen gezwungen: Jobs in Kommunen, subventionierte Arbeitsplätze, Ausbildung, Sprachkurse und Fitness. Wer nicht spurt, dem werden die Leistungen gekürzt - notfalls vollständig. Jeder Jugendliche unter 27 bekommt ein Angebot, sei es ein Job oder eine Ausbildung. Nur Geld ohne Arbeit gibt es nicht.
Konkurrenz? Ach was
So üben in einem Raum des Praxiszentrums Migranten, die seit Jahren hier leben, Niederländisch. Nebenan machen Jugendliche eine Kochausbildung. In einer Handwerksstraße bastelt ein junger Mann an einem Scharnier - die fertige Holzwand soll der Restaurierung der historischen Amsterdamer Verteidigungsanlagen dienen. Vorbehalte wie in Deutschland, dass so Arbeitsplätze verdrängt würden, lässt die Niederländer kalt. "Ja, und? Morgen hat der Handwerker einen anderen Auftrag. Und übermorgen kann er unsere Leute subventioniert einstellen", sagt Gerrit Jan Schep von der Stiftung Stimulansz dazu. Denn das kommt hinzu: Die Langzeitarbeitslosen werden hier von den Kommunen betreut. Und zwar nur von den Kommunen, und nicht, wie in Deutschland, zusammen mit dem Bund.
Gefunden in der
Sparanreiz für die Kommunen
Dafür haben die Gemeinden ein ihnen zugeteiltes Budget, über das sie eigenverantwortlich verfügen - mit einem hohen Anreiz zu sparen: Was übrig bleibt vom Geld für Maßnahmen, kann für andere kommunale Aufgaben verwendet werden - kein Wunder, dass manche Kommunen hemmungslos jede Möglichkeit nutzen, die Arbeitslosen zu integrieren.
Dass ihr das System gefällt, kann von der Leyen nicht verhehlen. Aber sie weiß, dass das meiste, was die Niederländer machen, in Deutschland derzeit Reizworte sind: Arbeitspflicht und mehr Sanktionen, das fordert derzeit täglich FDP-Chef Guido Westerwelle.

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Und über die Kommunen, die Arbeitslose alleine betreuen dürfen, tobt ein gerade mühsam gezähmter Streit zwischen Bund und Ländern. "Wir haben ähnliche Gesetze", sagt von der Leyen deswegen nur vorsichtig. "Wir fangen nicht bei null an." Nun müsse, mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes zur Hartz-IV-Höhe und zur Betreuungsform, "ein neues Kapitel aufgeschlagen werden". Ob das bis zu der von Westerwelle und dem NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers geforderten Reform geht, lässt sie offen.
Deutschland: am Beginn der Debatte
Zudem ist es klar, dass auch die Niederlande mit Problemen zu kämpfen haben: Mit Missbrauch bei Leistungen, Mangel an Betreuungsplätzen für Kinder, regionalen Unterschieden bei den Kommunen oder dem scharfen Kündigungsschutz. Ein Unterschied aber ist deutlich: der Ton in den Debatten. Der sei in Deutschland schrill und schroff und grenze Menschen aus, kritisiert von der Leyen, ohne Westerwelles Namen zu nennen. "Da ist es hier dagegen wohltuend."
"Was Sie gerade erleben, hatten wir vor einigen Jahren", beruhigt sie Yvonne Bieshaar, Chefin des Sozialdienstes in Drechtsteden. Getröstet sieht von der Leyen dennoch nicht aus - in Deutschland hat die Debatte gerade erst angefangen.