Am Freitag ging im Bundestag eine viertägige Etatdebatte zu Ende, in der es zumindest zeitweise auch um das Hauptthema - den Haushalt 2004 - ging. Da die wirkliche Politik zur Zeit in ganz anderen Gremien hinter verschlossenen Türen des Vermittlungsausschusses gemacht wird, musste das Parlament für Debatten der anderen Art herhalten, um dann einmal mehr nur eine Zwischenstation im großen Reformpoker zu sein. So wurde zwar auch der Haushalt für 2004 mit rot-grüner Mehrheit verabschiedet. In Kraft tritt er damit jedoch noch nicht. Denn auch der Etat wird von der Union in dem von ihr dominierten Bundesrat wieder abgelehnt.
Schlagabtausch der Patrioten
Der Streit über den Bundesetat wurde nicht zum Schlagabtausch der Finanzpolitiker, sondern der Patrioten. Selten wurde das Wort "Patriotismus" derart strapaziert, wie in der Haushaltswoche. Die Union solle patriotisch das Vorziehen der Steuerreform mittragen und so den Wirtschaftsaufschwung stützen, appellierte Kanzler Gerhard Schröder. Und die Union sah im Widerstand der Bundesregierung gegen EU-Sparauflagen alles andere als einen "Akt von Patriotismus". Finanzminister Hans Eichel habe sich an der D-Mark versündigt; patriotisch sei es auch, wenn gerade Deutschland EU-Verträge einhalte.
Ausgang der Verhandlungen unklar
Der Defizitstreit mit Brüssel, in dem die Opposition sich hinter die EU-Kommission gestellt hatte und weitere Sparauflagen von bis zu sechs Milliarden Euro unterstützte, dominierte die Debatte ebenso wie der Reformpoker im Vermittlungsausschuss. Aber auch nach dem Auftritt der Partei- und Fraktionschefs ist der Ausgang der Verhandlungen über die Steuer- und Arbeitsmarktreformen alles andere als klar.
Union hält Haushalt für Makulatur
Vor allem deshalb hält die Union den Haushalt 2004 für Makulatur. Auf mehr als 20 Milliarden Euro würden sich die Risiken summieren. Die Koalition selbst räumt eine Summe von maximal 10 Milliarden ein, aber nur dann, wenn gar kein Reformgesetz umgesetzt würde. Die Union wollte daher die Beratungen aussetzen und auch den Haushalt in das Vermittlungsverfahren einbringen. Das dort verhandelte Paket wird aber auch ohne den Etat trotz des enormen Zeitdrucks immer größer.
Opposition sieht Verfassungsbruch
Vorsätzlichen Verfassungsbruch sieht die Opposition in der Neuverschuldung von 29,3 Milliarden Euro, die wiederholt die zulässige Grenze in Höhe der Investitionen übersteigt. Um den Etat verfassungskonform zu halten, greift Eichel auch für 2004 auf eine Ausnahme zurück: Er will eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" abwenden und dazu die Steuerreform vorziehen. Dieses Vorgehen stößt aber auch bei Ökonomen auf Kritik angesichts eines möglichen Wirtschaftswachstums von 1,7 Prozent.

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Bewusste Entscheidung für höheres Defizit
Die Bundesregierung verstößt so mit dem Haushalt 2004 erneut gegen die Defizitvorgaben des EU-Stabilitätspaktes. Der Kanzler hatte deutlich gemacht, dass sich die Regierung bewusst für ein höheres Defizit entschieden habe, um vorgezogene Steuerentlastungen finanzieren und Wachstumsimpulse setzen zu können. "Wir hätten die Forderungen der Kommission locker erfüllen können", wenn auf ein Vorziehen der Steuerreform verzichtet würde, sagte er in der Generaldebatte.
Provisorische Haushaltsführung?
Ob es zu den geplanten Steuerentlastungen von 15,6 Milliarden Euro kommt, entscheidet sich spätestens am 19. Dezember, wenn eine mögliche Einigung im Vermittlungsverfahren abgesegnet wird. Die Union will den Etat an diesem Tag im Bundesrat ablehnen, was wiederum die Koalition mit Kanzlermehrheit am selben Tag im Bundestag überstimmen könnte. Möglicherweise wird es zu Jahresbeginn eine vorläufige Haushaltsführung geben. Dann darf allmonatlich nur ein Zwölftel des Vorjahresetats ausgegeben werden. Ein solches Spiel hatte es schon 1995 gegeben. Damals blockierte die SPD-Opposition in der Länderkammer.