Schwule und lesbische Paare können vom 1. August an einen eheähnlichen Lebensbund schließen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem am Mittwoch verkündeten Urteil einen Eilantrag Bayerns und Sachsens abgelehnt und damit den Weg für das rot-grüne Gesetz über die so genannte Homosexuellen-Ehe frei gemacht. Das Urteil war im Ersten Senat umstritten; drei der acht Richter stimmten für einen vorläufigen Stopp.
Die beiden unionsregierten Freistaaten haben wie auch das ebenfalls CDU-geführte Thüringen die »Eingetragene Lebenspartnerschaft« gleichgeschlechtlicher Paare in Karlsruhe mit einer Normenkontrollklage angegriffen. Sie sehen darin einen Verstoß gegen den Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz. Wegen drohender Rechtsunsicherheiten wollten Bayern und Sachsen zudem per Einstweiliger Anordnung eine vorläufige Aussetzung des Regelwerks erreichen. (Aktenzeichen: 1 BvQ 23/01 u. 26/01 vom 18. Juli 2001)
Nach den Worten des Ersten Senats unter Vorsitz des Vizepräsidenten Hans-Jürgen Papier wäre es ein »erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers«, wenn das Gesetz vorläufig außer Kraft gesetzt würde. Deshalb dürfe das Gericht von dieser Befugnis »nur mit größter Zurückhaltung« Gebrauch machen. »Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts darf
nicht zu einem Mittel werden, mit dem im Gesetzgebungsverfahren unterlegene Beteiligte das Inkrafttreten des Gesetzes verzögern können», heißt es in der Begründung.
Die Nachteile einer späteren Rücknahme des zunächst wirksamen Gesetzes müssten demnach eindeutig größer sein als die Einschränkungen, die ein vorläufiger Stopp zur Folge hätte. Dies sei hier nicht der Fall, befand das Gericht. Die meisten Konsequenzen des Gesetzes könnten zurückgenommen werden, sollte es sich später als verfassungswidrig erweisen.
Abschließende Entscheidung steht noch aus
Der Senat räumte ein, dass bestimmte Folgen nicht wieder gut zu machen wären. Erbt beispielsweise ein eingetragener Homosexueller das Vermögen seines Partners und verbraucht es anschließend, dann wäre das Geld für die gesetzlichen Erben verloren, denen bei einer Nichtigkeit des Gesetzes das Erbe zustünde. Nach den Worten der Richter müssten jedoch bei einem vorläufigen Stopp des Gesetzes Homosexuelle mit den gleichen Verlusten rechnen: Ein Erbanspruch, den sie nach dem Willen des Gesetzgebers vom 1. August an haben sollen, könnte bis zur abschließenden Entscheidung nicht mehr durchsetzbar sein. Ähnliches gelte bei Einbürgerungs- und Zeugnisverweigerungsrechten.
Papier machte deutlich, dass der Senat damit noch nicht abschließend über die Verfassungsmäßigkeit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft entschieden hat. »Der Ausgang des Verfahrens ist offen«, sagte der Senatsvorsitzende. Diese
Entscheidung ist einem Hauptsacheverfahren vorbehalten, in dem neben Bayern, Sachsen und Thüringen geklagt haben. Allerdings seien durch die Eingetragene Lebenspartnerschaft keine irreversiblen Nachteile für die grundgesetzlich geschützte Ehe zu erwarten, so die Richter. »Das rechtliche Fundament der Ehe erfährt keine Veränderung.« Sämtliche einschlägigen Regelungen blieben durch das Inkrafttreten der Homosexuellen-Ehe unberührt.

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Drei der acht Richter - darunter Vizepräsident Papier - argumentierten in einer abweichenden Meinung, eine spätere Rückabwicklung der umfangreichen Änderungen in 61 Gesetzen und Rechtsverordnungen des Bundes wäre »mit erheblichen Schwierigkeiten und unabsehbaren Folgen für den Rechtsverkehr« verbunden. »Die Rechtssicherheit wäre hierdurch - was die Senatsmehrheit verkennt - in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt«, heißt es im Sondervotum der überstimmten Richter.
Katholische Kirche lehnt Homo-Ehe weiter strikt ab
Die katholische Kirche ist auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts strikt gegen Eingetragene Partnerschaften von Homosexuellen. Die deutschen Bischöfe hätten wiederholt deutlich gemacht, »dass alle Versuche abzulehnen sind, ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu schaffen und dieses der Ehe anzunähern oder gar ihr gleichzustellen«, sagte der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten, in einem heute vorab veröffentlichten Interview der acht Kirchenzeitungen in der Nord-Ostdeutschen Verlagsgesellschaft (Sonntagausgabe).
Das Gesetzesvorhaben stelle den Zusammenhang von Ehe und Familie in Frage. Jüsten räumte ein, dass es Bereiche gebe, in denen der Gesetzgeber Regelungen für gleichgeschlechtliche Paare vornehmen könne. Er nannte dabei Mietrecht, Krankenbesuchsrecht und das Zeugnisverweigerungsrecht. Jedoch rechtfertigten die Rechtsprobleme gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften »in keinem Fall ein familienrechtliches Institut, das sich eng an die Ehe anlehnt«.
Roth begrüßt BVG-Entscheidung
Grünen-Chefin Claudia Roth hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Gunsten der so genannten Homosexuellen-Ehe begrüßt. Dies sei ein guter Tag für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie, sagte sie am Mittwoch in Berlin. Zudem sei es ein guter Tag für Familien, »denn Familien sind mehr als Vater, Mutter, Kind«. Die Karlsruher Richter hatten einen Eilantrag Bayerns und Sachsens abgelehnt, mit dem das Gesetz über die Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gestoppt werden sollte. »Das Gesetz kann nun zum 1. August in Kraft treten - und das ist gut so«, freute sich Roth.
Die Grünen-Vorsitzende rief Bayern, Sachsen und Thüringen auf, umgehend ein Ausführungsgesetz zu erlassen. Die Union solle »aus ihrer Schmollecke« rauskommen und sich konstruktiv einbringen. Mit ihrer »rückwärts gewandten Politik« hätten Edmund Stoiber (CSU) und Kurt Biedenkopf (CDU) gezeigt, wie »zukunftsunfähig« sie seien. Sie »wollten mit Volldampf zurück in die vermufften fünfziger Jahre« und seien auf der ganzen Linie gescheitert.