Bundesverfassungsgericht Ramelow nennt Spahns Strategie vor Richterwahl "selten dämlich"

Warnt vor erneutem Scheitern der Richterwahl: Linke-Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow
Warnt vor erneutem Scheitern der Richterwahl: Linke-Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow
© dts Nachrichtenagentur
Der Linke-Bundestagsvizepräsident wirft der Union vor, die nächste Richterwahl "zu versemmeln". Fraktionschefin Heidi Reichinnek beklagt die "Dämonisierung" ihrer Partei.

Zwei Tage vor der geplanten Wahl dreier neuer Bundesverfassungsrichter durch den Bundestag wächst in der Linken die Kritik am Agieren von CDU und CSU. Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow warf Unionsfraktionschef Jens Spahn "grottenschlechtes Handwerk" vor. "Ich bin überhaupt nicht darüber zufrieden, wie CDU und CSU zu Zweidrittelmehrheiten im Parlament kommen wollen", sagte der frühere Thüringer Linke-Ministerpräsident dem stern. "Auf diese Art und Weise funktioniert es jedenfalls nicht."

Laut Ramelow zeigt vor allem Spahn "schlechten Stil". "Dass jetzt allein die SPD vorgeschickt wird, um mit uns über die Kandidaten der Koalition zu reden, ist selten dämlich", sagte er. Dadurch könne die für Donnerstag angesetzte Wahl erneut schiefgehen: "Das, was die Union schon beim letzten Mal versemmelt hat, versemmelt sie jetzt einmal mehr."

Vor der Sommerpause war die Wahl der Potsdamer Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf am Widerstand der Unionsfraktion gescheitert. Nachdem die Juristin auf ihre Kandidatur verzichtet hatte, ist nun die Bundesverwaltungsrichterin Sigrid Emmenegger nominiert.

Ramelow: "Kein vernünftiger Umgang miteinander"

Spahn erklärte dazu am Sonntag in der ARD-Sendung "Caren Miosga", dass Emmenegger von dem sozialdemokratischen Koalitionspartner vorgeschlagen worden sei. Entsprechend sei auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch auf die Opposition zugegangen und habe "mit Grünen und, soweit ich weiß, auch mit der Linkspartei gesprochen". 

Ramelow kritisierte diese Aussage. "Wenn Spahn jetzt nonchalant in einer Talkshow sagt, es sei ja geredet worden, dann ersetzt das kein direktes Gespräch und ist kein vernünftiger Umgang miteinander", sagte er. 

Der Bundestagsvizepräsident betonte, dass in ostdeutschen Ländern seit Jahrzehnten über Richterwahlen für die Landesverfassungsgerichte gesprochen werde: "Das hat in Thüringen schon gegolten, als Bernhard Vogel für die CDU Ministerpräsident war und ich für die PDS Oppositionsführer."

Reichinnek: Spahn manövriert sich bei Richterwahl "weiter in die Ecke"

Auch die Linke-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek verwies auf die Kooperation ihrer Partei mit der Union in Ostdeutschland. "Jens Spahn weiß selbst am besten, dass seine Partei schon lange mit der Linken zusammenarbeitet, beispielsweise in Sachsen und Thüringen", sagte sie dem stern. "Mit jeder Dämonisierung von uns manövriert er sich weiter in die Ecke." 

Reichinnek zeigte sich trotzdem verhandlungsbereit. Obwohl die Linke "keine großen Sympathien" für die Union hege, sei sie bereit, "für den Schutz der Demokratie und Verbesserungen für die Menschen im Land" Gespräche zu führen. "Dass die Union in einer so wichtigen Frage parteipolitisch taktiert, zeigt deutlich, dass genau das bei ihr nicht im Vordergrund steht."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Am Montagabend bestätigte der Richterwahlausschuss des Bundestags die Nominierung von Sigrid Emmenegger. Ebenfalls zur Abstimmung stehen die von der SPD vorgeschlagene Rechtswissenschaftlerin Ann-Katrin Kaufhold und der Kandidat der Union, Bundesarbeitsrichter Günter Spinner. Beide Personalien waren bereits vor dem Sommer vom Richterwahlausschuss gebilligt worden.

In diesem Gremium haben die Koalitionsparteien und die Grünen eine Zweidrittelmehrheit – im Plenum des Bundestags allerdings nicht. Damit sind für eine erfolgreiche Wahl am Donnerstag auch Stimmen von der Linken oder der AfD nötig.