Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
seit dem erzwungenen Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf stand eine Frage im Raum: Wer würde sich das noch antun wollen? Kurz zur Erinnerung: Die renommierte Potsdamer Rechtswissenschaftlerin sollte eigentlich Richterin am Bundesverfassungsgericht werden, genauso wie zwei weitere Kandidaten. So hatten es die Spitzen von SPD und Union verabredet. Auch ein entsprechender Ausschuss im Bundestag hatte kurz vor der parlamentarischen Sommerpause schon das Go für die Wahl der drei Kandidaten gegeben.
Doch vor der entscheidenden Abstimmung im Plenum des Bundestags potenzierte sich der Unmut in der Unionsfraktion, unter anderem wegen Brosius-Gersdorfs Einschätzungen zur Rechtslage des Schwangerschaftsabbruchs. Dabei dürften nicht nur individuell begründbare Bedenken einiger Unionsleute eine Rolle gespielt haben, noch mehr ließen sich von Stimmungsmache aus den Reihen der AfD und einiger ultrarechter Propagandisten beeinflussen.
Kandidatin fürs Bundesverfassungsgericht: Sigrid Emmenegger traut sich
Der zuständige Fraktionsmanager Jens Spahn gebot diesem Agitieren keinen Einhalt, obwohl er dem Vorschlag zuvor selbst zugestimmt hatte. Die Abstimmung im Bundestag wurde kurzfristig abgesagt. Daraufhin verfolgten Unionspolitiker, allen voran die CSU, offenbar die Strategie, Frauke Brosius-Gersdorf zum "freiwilligen" Rückzug zu bewegen. Irgendwie musste man sie ja loswerden.
Wer würde sich nach diesem Gebaren, das den Ruf der Juristin beschädigte, erneut in diese Arena trauen? Nun steht fest: Sigrid Emmenegger, zurzeit Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Der Name der 48-Jährigen wurde gestern in einem gemeinsamen Schreiben von Union und SPD bekanntgegeben. Bleibt zu hoffen, dass die Wahl zum Verfassungsgericht nun einigermaßen geräuschlos über die Bühne geht, wie es in Deutschland eigentlich meist der Fall war. Im Plenum braucht es eine Zweidrittelmehrheit, die Koalition ist auf Stimmen von Grünen und Linken angewiesen.
Junger Trump-Influencer in den USA bei Veranstaltung erschossen
Bei einer Veranstaltung an einer Universität im US-Bundesstaat Utah wurde der Trump-nahe Influencer Charlie Kirk durch einen Schuss in den Hals getötet. Der 31-Jährige hat eine rechtskonservative Studentenorganisation (Turning Point USA) gegründet, moderierte einen beliebten Podcast und eine Radiosendung. Bei der vergangenen Präsidentschaftswahl spielte er eine wichtige Rolle dabei, junge Wähler für Trump zu mobilisieren.
Noch ist vieles unklar. Das FBI hat zwischenzeitlich eine verdächtige Person festgenommen, diese nach kurzer Zeit aber wieder freigelassen. Der US-Präsident ordnete Trauerbeflaggung an und machte die "radikalen Linken" für Kirks Tod verantwortlich. Diese hätten Amerikaner wie Kirk mit "Nazis und den schlimmsten Massenmördern und Verbrechern der Welt" verglichen, diese Rhetorik sei "direkt verantwortlich für den Terrorismus, den wir heute in unserem Land erleben". Unsere stern-Korrespondentin Leonie Scheuble ordnet die Lage ein:
stern deckt auf: Touristenschiffe in Ägypten sind oft lebensgefährlich
Es ist eines der beliebtesten Ziele deutscher Urlauber: Ägypten. Viele kommen ans Rote Meer, um dort zu tauchen. Um Hochseehaie zu sehen, Unterwassergärten mit riesigen Schildkröten, Korallen, die wie kunstvolle Skulpturen in der Strömung stehen. Im vergangenen November aber starben bei einem solchen Tauchausflug elf Urlauber und Crewmitglieder, darunter drei Deutsche – die Luxusyacht "Sea Story" war auf dem Roten Meer gekentert. Nach Recherchen von stern und RTL hätte das Schiff niemals auslaufen dürfen, denn es gab schwere Fehler und Verstöße gegen Vorschriften.
Doch damit nicht genug, die "Sea Story" weist nur auf ein größeres Problem. In den vergangenen Jahren sind weltweit Dutzende solcher Schiffe auf Grund gelaufen, ausgebrannt, gesunken, mehr als die Hälfte vor den Küsten Ägyptens. Unsere Recherchen zeigen nun: Das Millionengeschäft mit Tauchkreuzfahrten in Ägypten hat weitverbreitete Sicherheitsprobleme, die Gesundheit oder Leben zigtausender Urlauber im Jahr gefährden. Verdeckte Reporter haben sich auf insgesamt 17 Schiffe verschiedener Betreiber geschleust, um die Sicherheit zu überprüfen, Experten checkten die Ergebnisse. Alle Schiffe wiesen demnach Sicherheitsmängel auf, meist schwere oder schwerste.
Und sonst? Weitere Schlagzeilen
Das passiert am Donnerstag, dem 11. September
- Bitte nicht erschrecken: Der bundesweite Warntag steht an. Gegen 11 Uhr testen Bund, Länder und Kommunen ihre verschiedenen Warnmittel – etwa Sirenen und Mitteilungen, die per Cell Broadcast an die Handys verschickt werden. Was Sie dazu wissen müssen, lesen Sie hier
- Der Bundesnachrichtendienst bekommt einen neuen Präsidenten: Martin Jäger, bisher deutscher Botschafter in der Ukraine, löst Bruno Kahl an der Spitze des Auslandsgeheimdiensts ab
- Die Europäische Zentralbank entscheidet über die Leitzinsen. Beobachter gehen davon aus, dass sie an ihrem abwartenden geldpolitischen Kurs festhält und die Leitzinsen zum zweiten Mal in Folge unverändert lässt
Unsere stern+-Empfehlung des Tages
ist ein Text über Schmetterlinge, aber nicht über irgendwelche. Keine andere Schmetterlingsart ist so weit verbreitet wie die Distelfalter, die über blühende Felder in Brandenburg, in Kamerun und Nebraska flattern, über den Sand der mexikanischen Sonorawüste, über Schneewehen in Spitzbergen und über Kokospalmen auf den Seychellen.
Im Laufe eines Jahres legen manche Distelfalter unfassbare 15.000 Kilometer zurück, passieren Gebirge, Meere, Kontinente. Wie kann das sein? Forschende beginnen, das Rätsel der Überflieger zu lösen.
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Lisa Becke