Die AfD hat eines ihrer bekannteren Gesichter verloren. Die hessische Bundestagsabgeordnete Joana Cotar gab am Montag ihren Austritt aus Partei und Fraktion bekannt. Die AfD habe "zu viele rote Linien überschritten", schrieb sie in einer Erklärung. Auf ihrer Website begründete Cotar, die zur moderaten Strömung der Partei zählte und zwischenzeitlich Mitglied des Bundesvorstandes war, ihren Schritt mit innerparteilichen Intrigen und dem außenpolitischen Kurs der AfD. Sie schrieb: "Im Kampf gegen innerparteiliche Gegner ist Dauermobbing an der Tagesordnung – angefeuert von der Spitze der Partei und ihrer Netzwerke." Darüber sei der "Kampf um ein besseres Deutschland" in den Hintergrund gerückt.
Die studierte Politologin war der AfD bereits im Gründungsjahr 2013 beigetreten und gehörte mehrere Jahre dem Bundesvorstand an. Für ihr Bemühen, der AfD ein gemäßigteres Image zu geben, hatte Cotar in der Partei zuletzt keine nennenswerte Unterstützung mehr gefunden. Auf dem Bundesparteitag im Juni in Riesa wurde sie nicht mehr in den Vorstand gewählt. Sie selbst deutete die Personalentscheidungen von Riesa als Niederlage des gemäßigten Lagers.
Nach eigenen Angaben trat Cotar nun aus der Partei und aus der Bundestagsfraktion aus. Ihr Mandat im Bundestag wolle sie aber behalten. Der Austritt sei ihre "nach fast zehn Jahren nicht leichtgefallen", erklärte Cotar. "Schließlich habe ich die Partei in Hessen mit aufgebaut."
"Opportunismus und Dauermobbing im Kampf um Posten und Mandate"
Im Gegensatz zu anderen ehemaligen AfD-Mitgliedern, die sich in den vergangenen Jahren aus der Partei verabschiedet hatten, begründete die Digitalpolitikerin Cotar ihren Schritt nicht direkt mit einem weiteren Rechtsruck der AfD. Cotar schrieb vielmehr: "Nicht der extreme Rechtsaußen-Rand der AfD war und ist das Problem, der war immer in der Minderheit." Problematischer seien "die Opportunisten, die für Mandate ihre Überzeugungen aufgeben, sich kaufen lassen und morgen das Gegenteil dessen vertreten, für das sie heute noch stehen".
Sie selbst stehe "für eine konstruktive, freiheitlich-konservative Politik auf Basis des Grundgesetzes", erklärte Cotar. Dazu zählte sie "das Prinzip der Eigenverantwortung, die Anerkennung von Leistung, ein schlanker Staat, Meinungsfreiheit ohne Zensur oder Überwachung und echter Patriotismus". Der AfD attestierte sie in der Erklärung "Opportunismus und Dauermobbing im Kampf um Posten und Mandate" sowie "den Aufbau korrupter Netzwerke in der Partei".
"Anbiederung an Russland ist der Partei unwürdig"
Außerdem kritisierte Cotar "die große Nähe führender AfD-Funktionäre zum Präsidenten der Russischen Föderation", Wladimir Putin. Dies wolle und werde sie nicht mehr mittragen. Sie hielt fest: "Die Anbiederung der AfD an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland, China und jetzt auch den Iran sind einer aufrechten demokratischen und patriotischen Partei unwürdig."
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, bemühte sich, den Austritt von Cotar als Folge erfolgloser Kandidaturen für Spitzenpositionen in Partei und Fraktion darzustellen. Er sagte, hier gehe es wohl eher um "Enttäuschungen, sich nicht durchgesetzt zu haben". Dass sich Cotar "unglücklich fühlte", sei schon länger bekannt gewesen. Er kritisierte, dass sie ihr Mandat behalten will.
Intern zählte Cotar zum Lager des früheren Parteichefs Jörg Meuthen, der im Januar aus der AfD austrat. Meuthen stand für einen wirtschaftsliberalen und gemäßigteren Kurs in der AfD. Diese Strömung verlor zuletzt in der Partei deutlich an Einfluss, während das rechtsnationale Lagers um den Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke erstarkte.

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Cotar wünschte sich Richtungswechsel bei der Afd
Cotar hatte sich 2021 gemeinsam mit Joachim Wundrak um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl beworben, war aber den Fraktionschefs Tino Chrupalla und Alice Weidel unterlegen. Bei der Neubesetzung des Bundesvorstands im Juni in Riesa ging sie leer aus – ihr Name war nicht auf einer Liste mit Personalvorschlägen enthalten, die Parteichef Chrupalla ausgearbeitet hatte.
Kurz vor dem Parteitag hatte sich Cotar nach einer Reihe schwacher Ergebnisse bei Landtagswahlen offen gegen Chrupalla und dessen Kurs gestellt. "Mit Tino Chrupalla endete die Erfolgsgeschichte der AfD", erklärte sie damals. "Er bildet weder die gesamte Partei ab, noch überzeugt er bei den Wählern."
Die Personal-und Richtungsentscheidungen des Parteitags in Riesa kommentierte Cotar dann im Juni mit den Worten, sie hätte sich einen "Imagewandel" für die AfD durch ein gemäßigteres Auftreten gewünscht. "Man wollte nicht auf mich hören", resümierte sie damals. "Das war auf Bundesebene nicht gewollt."
Die AfD hat seit ihrer Gründung vor fast zehn Jahren zahlreiche prominente Mitglieder verloren. Einer von ihnen ist der Europaparlamentarier Jörg Meuthen. Der langjährige Parteivorsitzende, mit dem Cotar im Parteivorstand eine Zeit lang gemeinsame Ziele verfolgte, hatte die AfD im Januar verlassen. Cotar ist bereits das fünfte Mitglied, das die AfD-Fraktion seit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr verlassen hat. Die Fraktion schrumpfte damit von 83 auf 78 Mitglieder.