Geredet, gestritten und abgerechnet hat die Linkspartei nunmehr reichlich. Formal geregelt hat die Partei noch nichts. Aber immerhin scheint die Parteiführung auf der Klausurtagung in Berlin begriffen zu haben, dass sie im Blick auf die politische Zukunft den internen Machtkampf in absehbarer Zeit beenden muss. Ein Machtkampf, der vor allem von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sehr weit unterhalb der Gürtellinie geführt worden ist.
Klima der Denunziation
Links-Fraktionschef Gregor Gysi hat sich jetzt mit Klartext wieder einmal um seine Partei verdient gemacht. Bartsch kann nicht bleiben, was er ist. Wer sich wie er von Gysi, der unumstrittenen ideologischen wie menschlichen Autorität der Partei, "Illoyalität" gegenüber Parteichef Oskar Lafontaine vorwerfen lassen muss, der muss gehen. Wie wäre denn auch eine erneute Kooperation von Parteichef Lafontaine mit einem Bundesgeschäftsführer Bartsch zu verlangen, der ungeschminkt für ein "Klima der Denunziation" verantwortlich gemacht wird? Wer "Oskar" kennt, der weiß: Wer ihm das zumutet, dem wirft er den Parteivorsitz wie den sprichwörtlichen Bettel vor die Füße. Für Bartsch muss daher ein halbwegs honoriger Ausstieg aus dem bisherigen Parteiamt gefunden werden. Dass er sich dort Verdienste um Aufbau und Erfolg der Linkspartei erworben hat, spricht ihm niemand ab.
Mit personeller Neuaufstellung ist die Partei indes nicht von jenem Problem befreit, das Lothar Bisky ebenso salopp wie zutreffend als "ideologische Schweinegrippe" bezeichnet hat. Der Erfolg bei der Bundestagswahl täuscht. Die 11,9 Prozent der Stimmen wurden nicht gewonnen, weil die Linkspartei die Wähler in den vergangenen zwei Jahren durch eine klare programmatische Linie überzeugt hätte. Im Osten kreuzten viele sie an, weil sie bisher die PDS gewählt hatten. Im Westen strömten ihr Anhänger zu, die sich von der SPD in der Großen Koalition verraten und verkauft fühlten, vor allem aus dem Gewerkschaftslager. Hinzu kam eine bunt-chaotische Gruppe altlinker Klassenkämpfer, die mal wieder eine Chance witterten, ihr Sektierertum weithin ausleben zu können. Dass die Linkspartei trotz der Chaoten auch in der alten Bundesrepublik festen politischen Fuß fassen konnte, ist das herausragende Verdienst Lafontaines und seiner Mitarbeiter.
Fundis gegen Realos
Von einer zielgerichteten, geschlossenen und zugleich zu offener politischer Diskussion fähigen Partei sind die Linken allerdings noch immer weit entfernt. In ihnen schwelt ein Prozess wie ihn auch die Grünen seit Jahrzehnten aushalten müssen: Fundis gegen Realos. Dass dieser Prozess zusätzlich entlang der früheren deutschen Teilung verläuft, macht ihn noch komplizierter. Bislang hat die Parteiführung den labilen Status akzeptiert, um den Elan der Fusion von PDS und WASG nicht abzuwürgen. Jetzt aber muss sich die Partei endlich auch programmatisch festlegen. Ein Gesamtprofil ist nicht erkennbar. Zentrale Fragen blieben bislang unbeantwortet: Wie gehen wir mit den Sozialdemokraten um? Wie mit den Grünen? Wo liegt die Kompetenz für Koalitionsentscheidungen im Bund? Unter welchen Bedingungen ist eine Regierungsbeteiligung in den Ländern zu akzeptieren?
Zu keinem dieser Themen sind bislang klare Kriterien erkennbar. Ein Nein zu Afghanistan oder Lamento über Hartz IV ist zu wenig, um als vollwertige politische Alternative auf Dauer wahrgenommen zu werden. Viel Zeit, diesen überfälligen Reformprozess wenigstens halbwegs überzeugend in Gang zu setzen, bleibt nicht. Schon im Mai wird in Nordrhein-Westfalen bei der Landtagswahl getestet, ob die Linkspartei mehr ist als eine saisonale politische Erscheinung.