Rentenpaket Wende im Rentenstreit? Linke erwägt Ja zum Merz-Paket

Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek
Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek könnte sich nach stern-Informationen eine Zustimmung zum Rentenpaket vorstellen
© Bernd Elmenthaler / Imago Images
Im Streit um das geplante Rentenpaket könnte Friedrich Merz ungebetene Hilfe bekommen. Die Linke prüft ernsthaft, den Koalitionsplänen im Bundestag zuzustimmen.

Das könnte peinlich für den Kanzler werden. Der Streit um die geplante Rentenreform der Regierungskoalition könnte eine überraschende Wendung erfahren: CDU-Chef Friedrich Merz könnte ausgerechnet von ganz links Hilfe bekommen: Nach Informationen des stern prüft die Linke, ob sie dem Rentenpaket zustimmt.

Teilnehmern zufolge wurde in der jüngsten Fraktionssitzung über das ungewöhnliche Manöver diskutiert. Neben Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek zeigte sich auch ihre Stellvertreterin Janine Wissler dafür aufgeschlossen. Im Umfeld der Fraktionsspitze wird so argumentiert: Auch wenn die Linke ein deutlich höheres Rentenniveau als die Bundesregierung anstrebe, sei der Gesetzentwurf besser als die ansonsten drohende Absenkung.

Reichinneks Co-Fraktionschef Sören Pellmann bestätigte auf Nachfrage, dass eine Zustimmung erwogen werde. Allerdings sei die Debatte noch nicht abgeschlossen. "Sollte sich die Junge Gruppe mit ihren Forderungen durchsetzen und das Gesetz weiter abgeschwächt werden, wird die Fraktion Die Linke dem nicht zustimmen", sagte er dem stern.

Die Vereinigung der jüngeren Unionsabgeordneten ("Junge Gruppe") droht seit Wochen damit, dem vom Bundeskabinett längst beschlossenen Gesetzespaket im Bundestag nicht zuzustimmen. Zentraler Kritikpunkt ist der Plan, das Rentenniveau auch nach 2031 bei 48 Prozent zu halten. 

Am Wochenende war der Konflikt beim "Deutschlandtag" der Jungen Union eskaliert. Merz erklärte, das Paket unverändert im Parlament verabschieden zu wollen. Daraufhin bekräftigte wiederum der Sprecher der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, das Ultimatum. 

Eine Mehrheit dank der Linken wäre für Merz ein neues Dilemma

Sollten die 18 jungen Abgeordneten von CDU und CSU tatsächlich mit "Nein" stimmen, dürfte das Paket scheitern. Oder eben auch nicht. Denn mit den Stimmen der Linken, die nach ihrem fulminanten Comeback über 64 Sitze im Bundestag verfügt, stünde die Mehrheit sicher. Allerdings wäre danach die Blamage für den Kanzler und seine Union umso größer. 

Theoretisch könnte die Koalition ihr Vorhaben auch mit den Stimmen aus anderen Fraktionen der Opposition durchbringen. Doch bei den Grünen betrachtet man das Rentenpaket mit Skepsis. "Eine Zustimmung zu einer komplett steuerfinanzierten Sicherung des Rentenniveaus ohne grundlegende Reformen" sei "nicht vorstellbar", sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Beck, dem stern. Dies sei schlicht "eine Frage der Generationengerechtigkeit". 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Auch die frühere Bundestagsvizepräsidentin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, erklärte ihre Ablehnung. Nötig sei eine grundlegende Reform, sagte sie dem stern. Der Alterseinstieg müsse je nach Berufsbelastung flexibel werden, die Aussetzung des Nachhaltigkeitsfaktors sei ungerecht. "Wer sich zudem die Södermütterrente leisten kann, will keine echte Reform."

Die AfD hat sich noch nicht entschieden

Und die AfD? Sie fordert in ihrem Bundestagswahlprogramm "eine signifikante Erhöhung" der Renten. Ziel sei ein Niveau von 70 Prozent. Die "anstehenden Rentenbeitragsanhebungen" sollten "durch Steuersenkungen für Beschäftigte und Unternehmen" ausgeglichen werden.

Theoretisch könnte also auch die AfD die Abstimmung zumindest ihren Abgeordneten freigeben. Aus der Fraktion hieß es dazu, es gebe dazu "noch kein Meinungsbild". Im Zweifel werde man wohl einen eher eigenen Konkurrenzantrag dazu stellen.

Aus Sicht der rentenpolitischen Sprecherin, Ulrike Schielke-Ziesing, lehnt die AfD-Bundestagsfraktion das Rentenpaket "in seiner jetzigen Form" ab. "Gleichwohl es gute Punkte beinhaltet, die wir mittragen, etwa die Mütterrente oder die Erhöhung der Nachhaltigkeitsrücklage, ist die Finanzierung des Pakets nicht geklärt", sagte sie dem stern.

Das Dilemma des Friedrich Merz

Aber da ist eben noch die Linke. Sie will laut Fraktionschef Pellmann abwarten, "in welcher Form der Gesetzentwurf aus den Ausschussberatungen" komme. Danach werde sich die Fraktion "abschließend über ihr Abstimmungsverhalten" verständigen.

Für den Kanzler wird die Situation dadurch noch komplizierter. Sein Koalitionspartner SPD will partout nichts am Rentenpaket ändern. Das Festschreiben des Rentenniveaus sei Bedingung für den Eintritt in die Regierung gewesen, heißt es aus der SPD.

Merz steht damit vor einer unmöglichen Wahl: Kommt keine Mehrheit zustande, könnte dies das Ende der Regierung einleiten. Setzt er hingegen das Rentenpaket mit Stimmen aus der Opposition gegen Teile der eigenen Fraktion durch, stünde die Koalition ebenso vor dem Aus.

Ein Dilemma, mal wieder.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema