Kommentar Die Oldie-Party der Familienpolitik

Von Sven Trantow
Die große Koalition pumpt mit dem Elterngeld reichlich Geld in die Familienpolitik - und beglückt damit jene, die ohnehin schon Geld haben.

Düstere Bilder geisterten durch die Medienlandschaft, von leeren Kindergärten und ausgestorbenen Dörfern. 2050, so rechneten die Demographen vor, gäbe es doppelt so viele Menschen über 60 wie unter 20 Jahre. Das bedeute Innovationsstillstand und wirtschaftliche Depression. Bis Deutschland ganz von der Landkarte verschwindet, schien nur noch eine Frage der Zeit.

Mittlerweile ist die Debatte ruhiger geworden. Und so konnte die große Koalition ohne größere Aufregung das einkommensabhängige Elterngeld beschließen, es löst im Januar 2007 das pauschale Erziehungsgeld ab. Immerhin: die maximale Unterstützung für ein Kind steigt damit um bis zu 350%. Toll, mag man denken und vorsorglich nach Stramplern und Schnullern für den kleinen Goldesel suchen. Doch der Schein trügt. Denn es profitieren nur jene, die bereits Geld haben.

Abzüge für die "Generation Praktikum"

Familienministerin Ursula von der Leyen begründet die Einkommensabhängigkeit des Elterngeldes mit der demographischen Entwicklung. Gerade Menschen mit hohem Einkommen und entsprechendem Ausbildungsniveau entscheiden sich immer häufiger gegen Kinder. Die Familienpolitik folgert, genau dieser Schicht müsse mit Geld auf die Sprünge geholfen werden. Mit anderen Worten: Von der Leyen will sich bei den Gutverdienenden eine gebärfreudige Einstellung erkaufen. Doch die Gutverdienenden sind die Älteren - die "Generation Praktikum" kann auf Jobs und Perspektiven nur hoffen.

Die ganze Paradoxie offenbart sich bei einem Blick auf die jungen Familien in Deutschland. Gerade sie, die auf finanzielle Hilfe tatsächlich angewiesen sind, werden ab 2007 schlechter dastehen als zuvor. Studenten oder auch die steigende Zahl junger Menschen, die sich in schlecht bezahlten Praktikumsverhältnissen befinden, trifft es besonders hart. Ihnen bleibt häufig gerade mal der Sockelbetrag - in der Summe bis zu 50% weniger als bisher.

Bild der gealterten Elternschaft

Hier kristallisiert sich eine Familienpolitik heraus, die ihre Unterstützung nicht mehr an der Bedürftigkeit der Menschen bemisst. Damit steht sie ihren eigenen Zielen im Weg. Denn wer den Menschen Wahlfreiheit verspricht, moderne Familienformen fördern möchte und sie von staatlicher Unterstützung unabhängig machen will, kann nicht erst damit anfangen, wenn dieser Prozess bereits abgeschlossen ist.

Die aktuelle Familienpolitik orientiert sich nicht an modernen Familienformen, sondern am Bild einer gealterten Elternschaft. Den Menschen wird nahe gelegt, Kinder erst in einem Alter von 40 Jahren und mehr zu bekommen - was die Generationen immer weiter auseinanderklaffen lässt. Davon abgesehen: Rund um die 40 wird es für viele Paare schwierig, überhaupt noch Kinder zu bekommen. Woher also soll das demographische Wachstum kommen, wenn nicht von unten, von den Jungen?

Die große Koalition nennt ihre Familienpolitik "modern". Aber das ist ein Etikettenschwindel. Sie ist noch nicht einmal schlüssig.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Autor Sven Trantow, 26, schließt derzeit sein Studium als Kommunikationswissenschaftler ab. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin hat er einen dreijährigen Sohn.