Kommentar Weg damit!

Jetzt ist es offiziell: Die UN fordert, Gymnasien, Haupt- und Realschulen in Deutschland abzuschaffen und stattdessen eine Gesamtschule für alle einzurichten. Der Grund: Kinder aus sozial schwachen Familien würden durch das dreigliedrige System benachteiligt. Stimmt!

UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz Villalobos trifft mit seiner Forderung, das dreigliedrige deutsche Schulsystem abzuschaffen, einen empfindlichen Nerv der deutschen Gesellschaft. Allein das Wort Gymnasium löst bei denen, die es besucht haben - und das ist immerhin fast die gesamte politische und ökonomische Elite - nostalgische Erinnerungen aus. Die Deutschen hängen an dieser Schulform wie ein Kind an seinem Lieblings-Stofftier. Und das soll ihnen nun weggenommen werden?

Dabei hat Villalobos Recht: Mit den Studien, die seine These nachweisen, kann man ganze Bibliotheken füllen. Sie alle zeigen: Bildung ist in Deutschland nach wie vor ein Privileg der Privilegierten. 72 Prozent der Kinder aus sozial gehobenen Familien studieren, aber nur zwölf Prozent der Arbeiterkinder. Grundschullehrer geben Kindern aus Akademikerfamilien viel schneller eine Empfehlung für das Gymnasium als Kindern aus sozial schwachen Familien. Fast nirgendwo sonst auf der Welt werden Kinder so früh, also schon mit zehn Jahren, in gut, mittel und schlecht eingeteilt.

Frühe Selektion verringert den Einfluss der Begabung

Diese frühe Selektion erhöht den Einfluss der Familien auf den Bildungserfolg - und verringert den Einfluss der tatsächlich vorhandenen Begabungen. Bildung wird in Deutschland vererbt. Das ist nicht nur ungerecht, sondern ökonomischer Wahnsinn. Die Wirtschaft braucht in Zukunft viel mehr Akademiker als bisher. Jobs für gering Qualifizierte werden dagegen rar. Viele einfache Industriearbeitsplätze sind längst wegrationalisiert oder ins Ausland verlagert worden, und dieser Trend hält an. Hauptschüler spüren genau, dass sie zu den Verlierern gehören: Jeder Zweite sagt, er wünschte sich, das Abitur zu haben.

In Australien, Schweden oder Finnland liegt die Studienanfänger-Quote bei 70 Prozent, in Deutschland bei gerade mal 37 Prozent. Es kann nicht sein, dass die kleinen Schweden, Finnen und Australier alle klüger auf die Welt kommen als deutsche Kinder. Sie werden einfach besser gefördert.

Bildungsministerin Annette Schavan sagt, das deutsche System sei eine "Erfolgsgeschichte". Es war vielleicht mal eine Erfolgsgeschichte. Heute tritt es die Chancengleichheit mit Füßen. Es gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.