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Covid-19-Pandemie Eine Impfpflicht muss her. Und zwar schnell.

Berlin: Menschen warten im Corona-Impfzentrum auf dem Messegelände auf ihre Impfung
Berlin: Menschen warten im Corona-Impfzentrum auf dem Messegelände auf ihre Impfung
© Michael Kappeler / DPA
Es gibt nur einen Weg, Corona zu besiegen: mit einer Impfpflicht. Vor der Bundestagswahl traut sich kein Politiker, keine Politikerin das zu fordern. Obwohl es richtig wäre.

Ich bin ein freiheitsliebender Mensch. Von Verboten halte ich wenig. Sie reizen das trotzige Kind im Menschen. "Psychologische Reaktanz" nennen Wissenschaftler das. Deshalb war ich gegen eine Impfpflicht. Jeder muss selbst entscheiden, ob er sich gegen Covid-19 impfen lässt oder nicht. Eine Impfpflicht ist ein schwerer Eingriff in die Freiheitsrechte der Menschen. Aufklärung statt Zwang. Davon war ich überzeugt. Bis ich mich mit der Geschichte der Impfpflicht beschäftigte. Nun bin ich für einen Impfzwang. Und zwar möglichst schnell. 

Die Geschichte der Pockenbekämpfung zeigt: Leider geht es nicht anders. Vom Erfolg der Impfpflicht für Pocken, die fast zur Ausrottung der Krankheit geführt hat, heißt gegen Corona siegen lernen. Und auch von der DDR, jawohl, diesem totalitären Staat, den es nicht mehr gibt.

Die Pocken rafften über Jahrhunderte Menschen hin. Wie viele Opfer es gab, bleibt ungezählt. Noch im 20. Jahrhundert starben weltweit 400 Millionen Menschen an der Infektionskrankheit. Dabei war 1796, als der englische Landarzt Edward Jenner einem achtjährigen Jungen Kuhpocken einverleibte, eine Impfmethode gefunden. In Deutschland herrschte damals noch Kleinstaaterei. Die Landesfürsten wollten ihre Untertanen gerne impfen. Allein in Preußen starben im 18. Jahrhundert jährlich mehr als 40.000 Menschen an Pocken.

Impfgegner in Sachsen besonders stark

Preußens König Friedrich Wilhelm III. setzte auf Aufklärung, wollte von einem Zwang nichts wissen. Die Impfbereitschaft war entsprechend mau. Maximilian aus Bayern machte die Pockenimpfung 1807 zur Pflicht. Als einer der ersten Landesfürsten. Die Zahl der Toten ging zurück. Auch damals gab es schon Impfgegner, besonders stark waren sie in Sachsen, wo prompt mehr Menschen an Pocken starben. Obwohl sich viele Menschen impfen ließen, ließen sich viele Menschen eben auch nicht impfen. Nicht mal für Taler und gute Worte. Die Herdenimmunität wurde nicht erreicht. Es kam, wie es kommen musste: 1871 gab es eine schlimme Pockenwelle, die um die Welt ging und viele Tote forderte.

Inzwischen gab es das Deutsche Reich, das 1874 eine Impfpflicht gegen Pocken einführte. Kinder wurden nun notfalls mit der Polizei zum Impfen vorgeführt. Eine gruselige Vorstellung, zugegeben. Aber es half. Die Zahl der Pockenkranken und Pockentoten ging drastisch zurück. Viele Länder zogen nach. Den Rest besorgte die World Health Organisation (WHO) mit einer weltweiten Impfkampagne. Heute gelten die Pocken als besiegt. Nur noch in wenigen Ländern besteht Gefahr. Der Impfzwang ist eine Erfolgsgeschichte.

In der DDR waren Impfungen Pflicht

Gleiches gilt für die DDR, wo diverse Impfungen Pflicht waren. Viele Infektionskrankheiten, die im Westen noch ein Problem waren, galten dort als niedergerungen, wie zum Beispiel Kinderlähmung (Polio). Westdeutschland hatte die meisten Polio-Kranken in Europa. In der DDR gab es zur gleichen Zeit vier Fälle.

Kinder impfen lassen oder nicht?

Ergo: Impfen wirkt. Schlägt Krankheiten in die Flucht. Aber nur, wenn möglichst viele mitmachen. Wann die Herdenimmunität erreicht ist, hängt von der Gefährlichkeit eines Virus ab. Für Covid-19 könnte eine Impfquote von 98 Prozent erforderlich sein. Derzeit sind in Deutschland gerade mal 44,6 Millionen Menschen vollständig geimpft. Etwas mehr als die Hälfte, also. Die Impfbereitschaft ist hoch. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen 80 Prozent Impfungen positiv gegenüber. Reicht leider immer noch nicht. Wie damals bei den Pocken. Geschichte wiederholt sich offenbar doch.

Masern wesentliche Todesursache von Kindern

Was haben wir nicht alles auf uns genommen, um Corona zu vertreiben, wenigstens kleinzuhalten. Ließen uns einsperren, mussten und müssen Masken tragen. Es gab nächtliche Ausgangssperren. Wer aus dem Ausland zurückkehrt, muss jetzt einen negativen Test vorlegen. Das sind alles schwere Grundrechtseingriffe. Ein Ende ist nicht abzusehen, wenn die Menschheit nicht durchgeimpft wird. Im Gegenteil, jetzt droht Delta mit der vierten Welle.

Es wäre auch nicht die erste Impfpflicht in Deutschland. Kinder und bestimmte Berufsgruppen müssen sich gegen Masern impfen lassen. Masern sind global eine wesentliche Todesursache von Kindern.

Aber das Wort "Impfpflicht" oder gar "Impfzwang" will so kurz vor den Bundestagswahlen im September kein Politiker, keine Politikerin in den Mund nehmen. Kostet Stimmen. Dann eben eine Impfpflicht durch die Hintertür. Wer nicht geimpft ist, kann halt nicht reisen, ins Kino, ins Restaurant. Vollkommen gerechtfertigt. Nur bringen wird es nichts. Weil es wieder nicht für eine Herdenimmunität reichen wird.

Ja, es gibt Schicksale, die schrecklich sind. Die Tochter der Schriftstellerin Daniela Krien ("Die Liebe im Ernstfall") ist seit einer Impfung schwer behindert. Verständlich, dass Krien gegen eine Impfpflicht ist, wie sie dem "Tagesspiegel" sagte. Auch Menschen, die nach Impfungen Nebenwirkungen hatten, haben gute Gründe, die Impfpflicht abzulehnen. Sie könnten sich vom Hausarzt befreien lassen. Meine Vermutung: Dann würden nur noch wenig Menschen übrig bleiben, die nicht geimpft wären. Herdenimmunität durch Zwang. Sorry, aber leider geht es offenbar nicht anders. Und der Spuk wäre bald vorbei. Endlich.

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