Nebeneinkünfte VW streicht Politiker von Gehaltsliste

VW hat Klarheit in die Debatte um Mitarbeiter mit Mandat gebracht. Europaweit stehen nach Angaben des Autoherstellers sechs Parlamentarier auf der Gehaltsliste - ein Umstand, den der Autobauer nun beenden will.

Wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte, kommen aus der Belegschaft des Konzerns gegenwärtig zwei Bundestagabgeordnete und vier Landtagsabgeordnete, drei aus dem niedersächsischen und einer aus dem bayerischen Landtag.

Nach Angaben des Unternehmens sind neben den deutschen Parlamentariern unter den 178.443 Beschäftigten "europaweit keine weiteren Mitarbeiter mit Mandaten auf regionaler, nationaler oder europäischer Ebene bekannt". Eine Prüfung im Unternehmen habe außerdem ergeben, dass europaweit 367 nicht freigestellte Mitarbeiter ehrenamtlich auf kommunaler Ebene politisch tätig seien.

VW war zunehmend unter Druck geraten, nachdem bekannt wurde, dass neben dem Energiekonzer RWE auch der Wolfsburger Autobauer Politiker beschäftigt. Ursprünglich waren es die Rücktritte der beiden ehemaligen RWE-Angestellten, Laurenz Meyer und Hermann-Josef Arentz, die die Debatte um Nebeneinkünfte von Politikern entfacht hatten. Wegen Doppelbezügen war der Bundesvorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Hermann-Josef Arentz, am 11. Dezember und 11 Tage nach ihm CDU-Generalsekretär, Laurenz Meyer, zurückgetreten. Hermann-Josef Arentz hatte Bezüge vom Stromkonzern RWE erhalten, ohne dafür Arbeitsleistung erbracht zu haben. Laurenz Meyer hingegen hatte im Juli 2000 rund 160.000 Mark Abfindung von seinem ehemaligen Arbeitgeber, der inzwischen mit der RWE verschmolzenen VEW, erhalten. Bislang hatte der Konzern nicht klären können, mit welcher Begründung er die Zahlungen erhalten hatte.

Kritiker bemänglen insbesondere den Interessenskonflikt: Die Abgeordneten könnten durch die zusätzlichen Gehaltszahlungen in ihrer Aufgabe als Volksvertreter beeinflusst werden. Die Tatsache, dass im Falle von VW das Land Niedersachsen mit rund 18 Prozent der Stammaktien Hauptaktionär ist, lässt die Sache noch heikler erscheinen. Aufgrund der Besonderheiten des umstrittenen VW-Gesetzes kann das Land mehr Einfluss auf das Unternehmen ausüben als ihm aufgrund des Aktienanteils zusteht.

Wulff über VW verärgert

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat in der Debatte um Zusatzgehälter für Abgeordnete ungewöhnlich scharfe Kritik am VW-Konzern geübt. Die Informationspolitik des Vorstandes sei "außerordentlich ärgerlich" gewesen, sagte Wulff, der selbst im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, der "Nordwest-Zeitung". Wulff forderte Volkswagen auf, eine Regelung für den künftigen Umgang mit Parlamentariern zu treffen, "die über alle Kritik erhaben" sei. Dann könne Volkswagen möglicherweise gestärkt aus der Debatte hervorgehen.

Alle sechs Parlamentarier gehören der SPD an

Die sechs Parlamentarier, die von VW Bezüge erhielten, gehören alle der SPD an. Den Unternehmensangaben zufolge handelt es sich um die beiden niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen, die wegen ihrer Nebentätigkeit zuerst in die Kritik geraten waren und ihr Arbeitsverhältnis seit Anfang des Jahres ruhen lassen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jann-Peter Janssen aus dem niedersächsischen Norden lasse sein Beschäftigungsverhältnis ebenfalls seit Anfang des Jahres ruhen. Das Arbeitsverhältnis des bayerischen SPD-Landtagsabgeordneten Achim Werner, der früher in der Öffentlichkeitsarbeit von Audi tätig war, ruhe seit dem 1. September 2001.

Richtlinie wird ersatzlos gestrichen

Weiter in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis, aber für die Betriebsratsarbeit freigestellt, sind der niedersächsische SPD-Landtagsabgeordnete Günter Lenz, der Vorsitzender des VW-Betriebsrates bei VW-Nutzfahrzeuge in Hannover ist, und der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Uhl, der dem Gesamtbetriebsrat in Wolfsburg angehört.

Volkswagen kündigte zudem an, eine Richtlinie für den Umgang mit Mitarbeitern, die ein politisches Mandat ausüben, ersatzlos zu streichen. Dies solle auf einer Vorstandssitzung am kommenden Dienstag geschehen. Den seit April 1990 existierenden "Grundsätzen" lägen weder eine Betriebsvereinbarung noch ein Organbeschluss zu Grunde, hieß es.

SPD-Landtagsabgeordnete nehmen Stellung

Die SPD-Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen haben dem Präsidenten des niedersächsischen Landtages, Jürgen Gansäuer, Stellungnahmen zu ihren umstrittenen Nebentätigkeiten für die Volkswagen AG übergeben. Sie hätten dem Landtagspräsidenten "Angaben zu Art, Umfang und Inhalt unserer Tätigkeiten" gemacht, sagten Viereck und Wendhausen am Mittwoch in Hannover. Die Angaben würden "durch Unterlagen zur arbeitsvertraglichen Ausgestaltung sowie zur tatsächlich gezahlten Vergütung ergänzt". Für die Stellungnahmen hatte Gansäuer ein Frist bis Samstag gesetzt.

Alle Fragen sollen beantwortet werden

Zu Details wollten die Abgeordneten "auf Grund des schwebenden Verfahrens nur gegenüber dem Landtagspräsidenten Stellung nehmen". Beide Parlamentarier gingen aber "davon aus, dass sowohl Art, Umfang und Inhalt der Tätigkeit als auch die gezahlten Vergütungen mit dem Abgeordnetengesetz vereinbar sind". Bei weiterem Klärungsbedarf werde man "aktiv und konstruktiv daran mitwirken, alle eventuell bestehenden Fragen zu beantworten".

Landtagspräsident Gansäuer will die Stellungnahmen der Abgeordneten nach Angaben eines Parlamentssprechers zunächst prüfen und sich erst am Donnerstag dazu äußern. Viereck und Wendhausen hatten seit ihrem Einzug in den niedersächsischen Landtag im Jahr 1994 weiter von ihrem alten Arbeitgeber VW Gehalt bezogen. Der Landtagspräsident hatte sie zur Darlegung ihrer Arbeitsleistungen für den Autokonzern aufgefordert, da das niedersächsische Abgeordnetengesetz nur Vergütungen an Landesparlamentarier erlaubt, denen eine tatsächlich erbrachte, mit dem Mandat nicht zusammenhängende Tätigkeit entspricht. Abgeordnete, die verbotene Zuwendungen erhalten haben, müssen sie an das Land abführen.

AP/DPA