Reaktionen "Ein bescheidener Durchbruch"

Dass Oppositions-Politiker und ein Gutteil der Lobby-Verbände den Gesundheitskompromiss der Regierung nicht toll finden, ist vorhersagbar. Überrschend ist, dass selbst aus der SPD kritische Stimmen zu hören sind.

Die von Union und SPD vereinbarten Eckpunkte der Gesundheitsreform sind bei Opposition und bei Verbänden auf breite Ablehnung gestoßen. Die schwarz-rote Koalition sei dabei, "in trauter Eintracht das deutsche Gesundheitssystem zu ruinieren", hieß es in einer Erklärung, die FDP-Präsidium am Montag verabschiedete. Von einer "bloßen koalitionären Gesichtswahrung" war die Rede. Nach Ansicht der Grünen werden die Bürger von der großen Koalition verschaukelt. Sozialverbände warnten, die versprochenen Strukturreformen blieben aus. Stattdessen würden Beitragszahler und Patienten belastet. Auch die niedergelassenen Ärzte und die Apotheker lehnten die Einigung ab.

"Das ist eher ein Beinbruch"

Die für 2007 von der Koalition beschlossene Beitragserhöhung um 0,5 Prozentpunkte werde das erwartete Defizit nicht ausgleichen können, hieß es im Text des FDP-Präsidiums. "Die drohende Steuererhöhung ist bestenfalls vertagt." Den Weg in eine Einheitsversicherung werde die FDP vehement bekämpfen. "Das ist kein Durchbruch, eher ein Beinbruch", sagte Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer dem TV-Sender N24. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, die Bürger würden von der Koalition verschaukelt. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, warf der Koalition vor, sie gehe den Weg des scheinbar geringsten Widerstandes. "Und das heißt: Die Bürgerinnen und Bürger werden geschröpft", sagte Bartsch.

"Bisher ist kein Versprechen eingetroffen"

Von Seiten des Sozialverbands Deutschland (SoVD) jieß es, die große Koalition bitte erneut die gesetzliche Krankenversicherung zur Kasse, statt eine echte Strukturreform anzugehen. Die beschlossenen Eckpunkte gingen "in die falsche Richtung", sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Die Beitragserhöhung wäre nicht erforderlich, wenn die Krankenkassen weiterhin die 4,2 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer erhielten. Der geplante Gesundheitsfonds sei ein Irrweg. Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, sagte, Patienten, chronisch Kranke und Behinderte würden über Gebühr belastet. 20 Millionen Rentner und sieben Millionen Behinderte würden "ihrem Unmut spätestens bei den nächsten Wahlen Ausdruck verleihen". Der Verband der Krankenversicherten bezeichnete die Beitragserhöhung als erschreckend. Es sei immer wieder versprochen worden, dass die Beitragszahler entlastet würden, sagte Verbandschef Heinz Windisch im ZDF: "Aber bisher ist keines dieser Versprechen tatsächlich eingetroffen."

"Enteignungsgleicher Eingriff"

Die Apotheker kündigten entschiedenen Widerstand an gegen das Vorhaben, dass Preisverhandlungen der Apotheker mit den Kassen ein Sparvolumen von 500 Millionen Euro ab 2007 einbringen sollen. "Kommen die willkürlich festgelegten 500 Millionen Euro nicht zusammen, zahlen Apotheker den Restbetrag aus eigener Tasche", kritisierte die Bundesvereinigung der Apothekerverbände. Den Apothekern drohe "ein enteignungsgleicher Eingriff ins Privatvermögen. Gegen dieses absurde Vorhaben werden wir uns zur Wehr setzen." Der Hartmannbund als Verband der Praxisärzte sprach von einer "bodenlosen Enttäuschung". Verbandschef Kuno Winn griff den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck an. Dieser habe stolz verkündet, dass es keine Leistungskürzungen gebe, ohne die Frage zu beantworten, wie die steigenden Kosten kompensiert würden. "Ärzte und Patienten werden noch stärker als zuvor Opfer einer schleichenden Rationierung sein", erklärte Winn. Von einem insgesamt "eher bescheidenen Durchbruch" sprach der Wirtschaftsweise Bert Rürup im ZDF-Morgenmagazin.

Ich bin nicht zufrieden mit dem bisherigen Ergebnis

Kritische Stimmen gab es bei der SPD auch aus den eigenen Reihen. "Ich finde es bedauerlich, dass die CDU so stark auf der Bremse steht, gerade was die Steuerfinanzierung angeht", sagte SPD-Präsidiumsmitglied Christoph Matschie am Montag in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ursprünglich vorgehabt, die Steuerfinanzierung voranzutreiben und das habe auch die SPD gewollt. "Ich bin nicht zufrieden mit dem bisherigen Ergebnis."

AP · Reuters
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