Statistisches Bundesamt Jeder achte Deutsche ist arm

Obwohl Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei der Berechnung der Armut noch recht gut dasteht, sind fast 10,6 Millionen Bundesbürger von Armut betroffen. Dabei ist eine starkes West-Ost-Gefälle festzustellen.

In Deutschland ist fast jeder Achte arm oder lebt an der Grenze zur Armut. Betroffen waren im Jahr 2004 rund 10,6 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren. Dies ergab eine am Dienstag veröffentlichte Erhebung des Statistischen Bundesamts. Danach sind wesentlich mehr Ostdeutsche von Armut bedroht als Westdeutsche: In den neuen Ländern sind es 17 Prozent der Bevölkerung, in der alten Bundesrepublik nur 12 Prozent.

Armutsriskio Arbeitslosigkeit

Als Kriterium für eine Armutsgefährdung gilt, dass Personen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, also weniger als 856 Euro monatlich. Für eine Familie mit zwei Kindern liegt die Obergrenze bei 1.798 Euro. "Armutsrisiken sind vor allem Arbeitslosigkeit und fehlende Bildungsabschlüsse", sagte der Vizepräsident des Amts, Walter Rademacher, in Berlin. Vier von zehn Arbeitslosen sind armutsgefährdet, ebenso ein Viertel der Menschen ohne abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung, aber nur fünf Prozent der Erwerbstätigen.

Im Vergleich mit 14 EU-Staaten steht Deutschland in punkto soziale Ausgrenzung noch recht gut da: So gibt es etwa in Frankreich, Italien, Spanien, Belgien sowie Griechenland, Irland und Portugal teils wesentlich schlechtere Quoten. Besser sieht es indes in Dänemark, Finnland, Luxemburg und Schweden aus; in diesen vier Ländern beträgt die Quote elf Prozent. In Deutschland sind vor allem Menschen, die in Haushalten von Alleinerziehenden leben, von Armut bedroht. Knapp ein Drittel von ihnen lebt unter der kritischen Grenze von 60 Prozent des mittleren Einkommens. Besser sieht es bei Familien mit zwei Elternteilen aus: Hier liegt die Armutsgefährdungsquote bei sieben Prozent bei einem Kind und zwölf Prozent, wenn drei und mehr Kinder da sind.

Teils gravierende Einschränkungen

Die Betroffenen müssen sich teils gravierend einschränken, wie eine Selbsteinschätzung zeigt. Von den Armutsgefährdeten gaben 56 Prozent an, dass sie sich eine einwöchige Urlaubsreise pro Jahr nicht leisten können, bei den übrigen Befragten waren dies nur 16 Prozent. Auch in punkto Gesundheitskosten, die 2004 durch die Praxisgebühr und Hinzuzahlungen gestiegen sind, macht sich ein Gefälle bemerkbar. Bei den Armutsgefährdeten gaben 22 Prozent an, schon ein Mal aus finanziellen Gründen nicht zum Arzt oder Zahnarzt gegangen zu sein, bei den nicht Gefährdeten waren es nur sieben Prozent.

Das Amt wies darauf hin, dass sich die Spaltung zwischen Ost und West im Alter umkehrt. Von den über 65-Jährigen sind nur elf Prozent der ehemaligen DDR-Bürger armutsgefährdet, im Westen sind es hingegen 16 Prozent. Bei allen anderen Altersgruppen ist es genau umgekehrt. Die neue Statistik wird seit 2005 in allen EU-Ländern sowie in Norwegen und Island erhoben. Sie bietet erstmals vergleichbare Daten zu Armut und Lebensbedingungen. Derzeit sind allerdings noch keine Daten anderer Länder für das Erhebungsjahr 2005 verfügbar.

AP
AP