Die Hoffnungen auf spürbare Steuersenkungen schwinden immer weiter. Die am Donnerstag bevorstehende Steuerschätzung wird der schwarz-gelben Koalition nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" nur geringe Spielräume dafür eröffnen. Trotz Anzeichen wirtschaftlicher Erholung werden die Einnahmen des Bundes im kommenden Jahr voraussichtlich nur knapp 3,5 Milliarden Euro über den Schätzungen aus dem Mai liegen, meldete das Blatt am Montag aus Kreisen der Schätzer.
Im laufenden Jahr könne der Bund mit zusätzlichen Einnahmen von etwa zwei Milliarden Euro rechnen. Insgesamt würden die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden in den beiden Jahren etwa zehn Milliarden Euro über den bisherigen Annahmen liegen. Die Koalition hat beschlossen, die Einkommensteuer von 2011 an um bis zu 24 Milliarden Euro pro Jahr zu senken. Um die Schuldenbremse nicht zu verletzen, hoffen Union und FDP bislang darauf, dass die wirtschaftliche Erholung Spielräume für Steuersenkungen eröffnet. Der Haushaltsexperte der FDP, Otto Fricke, sieht die Länder, die sich bereits gegen Steuersenkungen gewandt haben, mit in der Verantwortung. Die Kritik sei bereits Taktik für die anstehenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. 60 Prozent der Einnahmen flössen in die Kassen von Ländern und Kommunen, deshalb müsse auf allen Ebenen gespart werden. Für alle gelte der Satz: "Auf was kann ich, auf was sollte ich und auf was muss ich verzichten?", sagte Fricke dem Bayerischen Rundfunk. Die allgemeine Schuldenmentalität müsse sich ändern, wenn die öffentlichen Haushalte saniert werden sollten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versprach, die Vorgaben der Schuldenbremse in jedem Fall zu erfüllen. "Jemand, der so lange Verfassungsminister war wie ich, wird sehr darauf achten, dass das Grundgesetz eingehalten wird", sagte der CDU-Politiker dem "Handelsblatt" (Montagausgabe). Er versprach zugleich, die Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2010 nicht über die von seinemn Vorgänger Peer Steinbrück (SPD) geplante Rekordsumme von 86 Milliarden Euro hinausschießen zu lassen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält eher Steuererhöhungen als Steuersenkungen für sinnvoll. Vorstandsmitglied Claus Matecki sagte der "Leipziger Volkszeitung", von der geplanten Entlastung profitierten vor allem Besserverdienende. Nach Einschätzung des DGB-Wirtschaftsexperten "zündet selbst ein von vermeintlichen Fesseln befreiter Mittelstand kein Investitionsfeuerwerk". Kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlten vielmehr die Aufträge. Stattdessen sei es notwendig, Lehren aus der Krise zu ziehen und die Spaltung der Volkswirtschaft in eine hoch wettbewerbsfähige Exportindustrie und eine billige binnenmarktorientierte Dienstleistungsökonomie zu beenden. Dazu müsse in Bildung, Gesundheit und ökologischen Umbau investiert werden. Ohne höhere Staatseinnahmen sei das jedoch nicht möglich.
Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft drang auf eine radikale Vereinfachung des Steuersystems. Ihr Vorsitzender Dieter Ondracek plädierte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" unter anderem für die komplett Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent. Zum Ausgleich dafür sollten das steuerliche Existenzminimum, der Hartz-IV-Satz, die Sozialhilfe und die Grundsicherung im Alter angehoben werden. Gleichzeitig warnte er die Koalition eindringlich davor, die Erbschaftsteuer zu regionalisieren, wie in einem Prüfauftrag des Koalitionsvertrages vorgesehen. "Die Folge wäre der rasche Tod der Erbschaftsteuer."