Hans-Martin Tillack Blowing the Whistle

Es gibt kein deutsches Wort für Whistleblower. Das sagt schon einiges.

Ohne sie wären viele Skandale nie publik geworden. Whistleblower sind Menschen, die Informationen über Missstände in ihrer Firma oder Behörde nach draußen tragen, weil sie im eigenen Haus kein Gehör erhoffen oder finden. Doch die Hinweisgeber leben gefährlich. Oft müssen sie die Rache von Chefs und Kollegen fürchten, verlieren Job oder Gesundheit.

Deutschland gilt bisher als Land, in dem Informanten besonders wenig geschätzt werden; manche erklären sich das mit dem schlechten Vorbild der Denunzianten unter Nazis und Stasi. Es könnte aber auch mit einem alten deutschen Hang zur Autoritätshörigkeit zusammenhängen.

Seit einigen Jahren setzt sich das von dem ehemaligen EU-Beamten Guido Strack gegründete Whistleblower-Netzwerk dafür ein, dass die Rechte von Hinweisgebern in Deutschland gestärkt werden. Bisher genießen sie hier, gemessen an den USA oder Großbritannien, nur wenig gesetzlichen Schutz. Ein Gesetzentwurf, den der damalige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) zu Zeiten der Großen Koalition lancierte, versandete im Bundestag. Jüngere Initiativen von SPD und Grünen fanden bisher keine Gegenliebe bei CDU/CSU und FDP.

Die US-Börsenaufsicht SEC zahlt dagegen Hinweisgebern aus der Finanzindustrie seit 2010 sogar Belohnungen. In Großbritannien haben Whistleblower unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich das Recht, sich an die Presse zu wenden.

Organisiert von zwei australischen Universitäten hat jetzt eine weltweite Online-Befragung begonnen, die erforschen soll, welche Einstellung die Bürger zum Whistleblowing haben. Werden nach ihrer Ansicht „zuviel Information in Organisationen geheim gehalten“? Sollten Insider bestraft oder unterstützt werden, wenn sie „ernsthaftes Fehlverhalten anzeigen“? Sollten Whistleblower das Recht haben, sich an Journalisten zu wenden?

Seit gut einer Woche ist der Fragebogen auch auf deutsch im Netz. Kurz zuvor hatte ich den Mann hinter dem Projekt zu einem Gespräch getroffen. Er heißt Alexander J. Brown und ist Professor an der Griffith University in Brisbane. Auf Besuch in der internationalen Zentrale von Transparency International in Berlin berichtete er, dass eine repräsentative Erhebung in Australien erstaunlich positive Resultate gebracht hatte. 81 Prozent der Befragen plädierten dafür, Whistleblower zu unterstützen, wenn sie ernsthafte Missstände enthüllten. Stolze 87 Prozent wollten ihnen das Recht einräumen, sich an die Medien zu wenden – was ihnen seit kurzem auch im australischen Teilstaat Canberra offiziell erlaubt ist.

Denn die Erfahrung lehrt: Werden Missstände öffentlich bekannt, wächst die Chance deutlich, dass etwas zu ihrer Behebung geschieht.