Hans-Martin Tillack Korruption? Gibs hier nich…

In den deutschen Ministerien gibt es keine Korruption. Also
muss man sie auch nicht bekämpfen. So ungefähr scheint das Motto der
Bundesregierung zu lauten.

Dieser Tage hat das Innenministerium seinen Bericht zur
„Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung“ im Jahr 2008 an den
Haushaltsauschuss des Bundestages übermittelt. Veröffentlicht werden die
alljährlichen Reports nicht; kein Wunder, ihr Inhalt ist für die Regierung
eher ein bisschen peinlich.

Vor fünf Jahren, im Juli 2004, hatte der damalige Innenminister
Otto Schily (SPD) eine Richtlinie erlassen, die helfen sollte, Bestechung und
Vorteilsnahme in den Amtsstuben vorzubeugen. Besonders scharf formuliert ist
sie nicht. Vorgegeben werden Schritte, die Fachleuten als das Minimum des
Minimum gelten: Definition korruptionsgefährdeter Arbeitsgebiete,
Mehr-Augen-Prinzip bei sensiblen Entscheidungen, regelmäßige Rotation auf sensiblen
Posten – etwa bei der Vergabe lukrativer Aufträge.

Aus Sicht der Kriminologin Britta Bannenberg sind das wenig
mehr als pure „Scheinaktivitäten“ im Kampf gegen Bakschischpraktiken. Doch
viele Bundesministerien raffen sich bis heute, fünf Jahre nach Inkrafttreten
der Richtlinie, nicht einmal zu solchen Scheinaktivitäten auf. Ähnlich wie die
Jahresberichte der vergangenen Jahre (die ich für mein jüngstes Buch
ausgewertet hatte
) listet auch das neue Papier aus dem Innenministerium viele
Fälle auf, in denen Ministerien ihre Hausaufgaben einfach ignorieren. Allein
acht oberste Bundesbehörden hätten „die Prüfung der Notwendigkeit einer Risikoanalyse
noch nicht abgeschlossen“, heißt es in dem von Staatssekretär August Hanning
verantworteten Bericht. Noch schlechter sieht es beim Thema Rotation aus. Zehn oberste
Bundesbehörden haben es noch nicht einmal geschafft, die „Verweildauer“ von
Mitarbeitern in korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten zu ermitteln – was die
Voraussetzung wäre, um sie rechtzeitig nach fünf Jahren zu versetzen. Immer
wieder argumentierten die Behörden, dass trotz Korruptionsgefahr „nicht rotationsfähige
Spezialisten“ auf den Posten säßen.

Der Verdacht liegt nahe, dass es sich da um wenig mehr als
Ausreden handelt. Denn gerade bei der hoch bestechungsanfälligen Vergabe von
Aufträgen scheint die Bundesregierung über auffällig wenige Fachleute zu
verfügen. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Ministerien immer wieder damit
auffallen, dass sie geltendes Vergaberecht offenkundig herzlich wenig beachten
– und die Steuergelder ohne ordentliche Ausschreibung verausgaben. In dem
Hanning-Bericht selbst wird in einem dürren Absatz ein jüngerer Prüfbericht des
Bundesrechnungshofes zu den „IT-Beschaffungen in der Bundesverwaltung“ erwähnt,
der offenkundig vernichtend ausfiel. „In den geprüften Fällen“ sei „der vom
Gesetzgeber geforderte Wettbewerb ohne ausreichende Begründung ausgeschaltet“
worden. Oder aber die Beamten hätten „die maßgeblichen Bestimmungen nicht beachtet“.

„Für die Bundesregierung ist die Korruptionsbekämpfung in den
eigenen Reihen ein Tabu“, folgert die Haushaltsexpertin der Linkspartei, Gesine
Lötzsch. Dass sie damit nicht ganz Unrecht hat, zeigt auch ein weiterer Bericht
des Rechnungshofes, der Ende Juni dem Haushaltsausschuss zuging. Er beschäftigt
sich mit den Aufträgen an Beratungsfirmen – und auch hier mogelten sich die
Ministerien immer wieder um transparente Auswahlverfahren herum. „In vielen
Fällen“ seien Beratungsverträge „ohne zwingenden Grund ohne ausreichenden
Wettbewerb vergeben“ worden. Die Vergabevorschriften wurden zum Teil einfach
nicht beachtet und bei der freihändigen Erteilung von Zuschlägen stützten sich
die Beamten auf Ausnahmeregelungen im Vergaberecht, „ohne dass die Voraussetzungen
hierfür erfüllt waren“.

Statt des Wettbewerbsprinzips regierte anscheinend mehrfach
das, was die Österreicher Freunderlwirtschaft nennen. Anschlussaufträge an
Beratungsunternehmen begründeten Ministerien gelegentlich damit, dass es
„langjährige Kontakte“ gebe. Wegen „einer besonderen Nähe zwischen Auftraggeber
und Auftragnehmer“ Staatsknete an Consultingfirmen fließen zu lassen, wie
geschehen – das verurteilten die Rechnungsprüfer als eine Praxis, die auf
„sachfremden Erwägungen“ beruhe.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Aber wie gesagt, korrupt sind unsere Bundesbeamten natürlich
nicht.