Hans-Martin Tillack Sie konnte nicht nein sagen

Christian Wulff war im Präsidentenamt überfordert, das wussten wir. Jetzt erfahren wir: Seine Frau war es auch.

Vorab: Als Christian Wulff noch Präsident war und es um die Vorwürfe gegen ihn ging, habe ich bei vielen Gelegenheiten Bettina Wulff öffentlich in Schutz genommen. Ich fand es unfair, sie als die Frau anzuprangern, die ihren Mann zu einem Luxusleben angestachelt habe. Denn gewählt – als Ministerpräsident und dann Staatsoberhaupt – war Christian Wulff. Er war als erwachsener Mann und gewählter Politiker für sein Verhalten zu hundert Prozent selbst verantwortlich.

Schon gar nicht habe ich mich um die Rotlicht-Gerüchte um Bettina Wulff gekümmert oder sie gar in einem Artikel auch nur andeutungsweise erwähnt. Gerüchte, zumal ehrverletzende, sind kein Gegenstand der Berichterstattung. Und selbst wenn es mehr als krause – und falsche - Gerüchte gewesen wären: Wo war die politische Relevanz? Dass Bettina Wulff jetzt gegen solche, vor allem im Internet verbreitete Verleumdungen vorgeht, finde ich sehr berechtigt.

Doch die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten hat nicht nur geklagt; sie hat sich außerdem auf 224 Buchseiten über sich und ihre Zeit als Präsidentengattin ausgelassen. Also dürften jetzt auch ein paar Fragen an sie erlaubt sein.

Bettina Wulff ist einerseits das Opfer von Rotlicht-Verleumdungen, und als solche verdient sie Mitgefühl. Als Opfer präsentiert sie sich uns nun aber auch in anderer Hinsicht – als Opfer der Ambitionen ihres Mannes und vor allem der bösen Journalisten. Die hätten Vorwürfe konstruiert, am Ende „gierig“ gewirkt und beim Rücktritt „Triumphgefühl“ gezeigt.

Bettina Wulff hat zwar Medienwissenschaften studiert und sie sieht sich als „PR-Frau“. Aber warum hat sie dann solche Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass zu den Aufgaben von Journalisten mehr gehört, als nur PR-Verlautbarungen weiterzugeben und – so wie das die Korrespondentin der „Bild“ im beschaulichen Hannover angeblich tat – sich „vertrauensvoll“ vom Sprecher des Ehemanns mit Informationen versorgen zu lassen?

Um was ging es in der Affärenserie um ihren Ehemann? Bettina Wulff, so muss man aus ihrem Buch schließen, hat es bis heute nicht begriffen.

Erinnern wir uns, was Christian Wulff noch als Ministerpräsident Niedersachsens im Februar 2010 hatte erklären lassen - „dass er jeden auch noch so vagen Verdacht der Annahme eines Vorteils oder gar der Beeinflussbarkeit in seiner Amtsführung vermeiden muss“.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bettina Wulff sieht das anscheinend doch ein bisschen lockerer. Ein Kredit über 500 000 Euro von Unternehmergattin Edith Geerkens? Eine „unvorstellbare Summe“, fand sie erst – „aber Christian und ich waren dankbar für diese Möglichkeit“.

Ein günstiger Kredit der BW-Bank? „Natürlich haben wir uns darüber gefreut und genauso natürlich haben wir auch nicht gesagt: ‚Aber das geht doch nicht, schrauben Sie die Zinsen lieber mal ein wenig höher!’“

Ein Upgrade bei Air Berlin? Bettina Wulff: „Lehnt man zum Beispiel dankend ab, wenn man, wie wir am 20. Dezember 2009, am Check-in auf dem Flughafen steht, kurz vor einem gut neunstündigen Flug von Düsseldorf nach Miami, am Hosenbein zupfend ein quengelndes Kleinkind, und eröffnet bekommt, dass es statt wie gebucht in der Economyclass noch freie Plätze in der Businessclass gebe und man diese nutzen könne? Sagt man da etwa Nein?“

Immerhin fügt sie hinzu: „Vielleicht hätten wir es tun sollen.“ Ach ja, Christian Wulff war sich damals dann sogar ganz sicher, dass er den Vorteil nicht hätte annehmen dürfen und erstattete das Geld zurück – sonst hätte ein Verstoß gegen das Ministergesetz gedroht. Aber Ministergesetze sind offenkundig nichts, um das sich Bettina Wulff prioritär kümmert. Muss sie jetzt ja auch nicht mehr.

Kein Wort in ihrem Buch übrigens über die kostenlose Flitterwoche in der Villa Lupo des Versicherungsmanagers Wolf-Dieter Baumgartl, dessen Assekuranzbranche Christian Wulff mehrfach zur Seite stand. Kein Wort auch über den Eventmanager Manfred Schmidt, den Bettina Wulff noch freundschaftlich umarmte, als Schmidt für ihren Mann ein Fest ausrichtete, am Abend der Wahl zum Bundespräsidenten am 30. Juni 2010.

Richtig, gegen Schmidt ermittelt die Staatsanwalt jetzt wegen Korruptionsverdachts, ebenso wie gegen den langjährigen Wulff-Sprecher Olaf Glaeseker. Auch der wird in Bettina Wulffs Buch nie mit Namen erwähnt.

Dafür erfahren wir, dass Bettina Wulffs Sohn Linus gelegentlich Wutanfälle hat und wie sie mit 16 Jahren Rettungsschwimmer Tom am Strand von Sylt kennenlernte: „Ich drehte mich erschrocken um und da stand dieser Typ: blond, blaue Augen und natürlich wartete er aufgrund seines Semesterjobs nicht mit dem schlechtesten aller Bodys auf.“

Leser ihres Buches lernen auch, dass Bettina Wulff bei Männern „kein festes Beuteschema“ hat, dass sie gerne Pastorin geworden wäre - und dass für sie als Präsidentengattin eigentlich noch ein Auftritt in der Rateshow von Kai Pflaume anstand.

Ehrlich, den hätte man ihr wirklich gegönnt.

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