"Operation Baltic" Wie "Wüstenratten" Hamburg eroberten

Als am 3. Mai 1945 britische Panzer über die Elbbrücken nach Hamburg fuhren, war der Krieg in der zweitgrößten deutschen Stadt vorbei. Trotz aller Durchhalteparolen blieb die Hansestadt von einem Endkampf um jedes Haus verschont.

Die "Festung Hamburg" bestand gerade elf Tage, als am 3. Mai 1945 die ersten britischen Panzer über die Elbbrücken in Richtung Rathausmarkt rasselten. Doch trotz aller Durchhalteparolen der Nazis blieb die schwer zerstörte Stadt vor den weiteren Verwüstungen eines Endkampfs um jedes Haus verschont. Das Schicksal Bremens, in dem die deutschen Verteidiger hartnäckigen Widerstand geleistet und damit die Zerstörung der Stadt durch britische Bomber und Artillerie provoziert hatten, blieb Hamburg erspart.

Besänftigung der Nazi-Führung

Am 22. April war die zweitgrößte Stadt des "Altreichs" zur Festung erklärt worden. Schon lange davor waren im Auftrag des Reichsstatthalters und Gauleiters Hamburg, Karl Kaufmann, Panzer- und Schützengräben ausgehoben worden. Doch dies diente nur der Besänftigung der Führung in Berlin. Denn der Weggefährte Adolf Hitlers hatte eigentlich keinen Widerstand Hamburgs "bis zur letzten Patrone" im Sinn. Vor seinen Herren in Berlin demonstrierte Kaufmann Kampfwillen und Entschlossenheit, vor den Parteigenossen in Hamburg zeigte er Einsatzbereitschaft. Doch tatsächlich ließ der Gauleiter den Militärs weitestgehend freie Hand, und diese nutzten die unerwartete Handlungsfreiheit zum Wohl der Hansestadt.

Allen voran stand Generalmajor Alwin Wolz, Kampfkommandant der Stadt. Trotz klarer Anweisungen aus dem Führerhauptquartier zur Vorbereitung auf den Endkampf und die Zerstörung des Hafens vor dem heranrückenden Feind sah Wolz vielmehr in die Zukunft der Hansestadt. Denn wie sollte die Stadt später ohne ihren Hafen leben, warum sollten die von den schweren Bomberangriffen getroffenen Hamburger weiteren Leiden ausgesetzt werden?

Offiziell taten Militärs und Parteifunktionäre das, was von ihnen in Berlin erwartet wurde, um den drohenden Henkern der "Fliegenden Standgerichte" zu entgehen. Tatsächlich aber hatten die meisten von ihnen schon innerlich die Waffen gestreckt. Nach ersten Artilleriegranaten auf die südlichen Hamburger Außenbezirke am 25. April nahmen die deutschen Militärs aus Sorge um ein Wehrmachtlazarett Kontakt mit den Briten auf.

Aufforderung zur Kapitulation

Parlamentarier kamen am 29. April zum Stab der britischen 7. Panzerdivision, der legendären "Desert Rats" (Wüstenratten). Generalmajor Lewis D. Lyne nutzte die Chance, über den einzigen Zivilisten der Delegation einen Kontakt zum Kampfkommandanten Hamburg "aufzubauen". Er gab ihm ein Schreiben mit, in dem Wolz eindringlich zur bedingungslosen Kapitulation aufgefordert wurde.

Wolz erhielt diesen Brief am 30. April und setzte seinen Vorgesetzten, den Oberbefehlshaber Nordwest, Generalfeldmarschall Ernst Busch, darüber in Kenntnis. Dieser schwankte noch, ehe ihm die Nachrichten über den Tod Hitlers die Entscheidung erleichterten. Gauleiter Kaufmann bestimmte umgehend Ex-Bürgermeister Wilhelm Burchard-Motz zum politischen Unterhändler.

Am 1. Mai begannen die Verhandlungen über Details der Kapitulation. Die militärische Position der Deutschen wurde durch den Fall Lübecks am 2. Mai weiter erschwert, so dass Feldmarschall Busch und auch der inzwischen als Hitlers Amtsnachfolger angetretene Großadmiral Karl Dönitz der Kapitulation der "Festung Hamburg" zustimmten.

Danach ging alles ganz schnell. Noch am 2. Mai wurde Hamburg zur offenen Stadt erklärt, die dort verbliebenen Militäreinheiten wurden nach Schleswig-Holstein verlegt. Am Mittag des 3. Mai setzte Wolz in Häcklingen bei Lüneburg seine Unterschrift unter die Kapitulationsurkunde. Der britischen Feldmarschalls Bernard Montgomery war dabei.

"Operation Baltic"

Um 16.13 Uhr schließlich lief die "Operation Baltic" an, der Einmarsch in Hamburg. Langsam rückten die Briten auf die Elbbrücken vor. Neugierig verfolgten die Hamburger hinter ihren Fenstern den Weg der Briten in die Hansestadt. Doch nur wenige sahen das Finale vor dem Eingang des Rathauses. Dort empfingen Burchardt-Motz und Generalmajor Wolz den britischen General Douglas Spurling, um die Stadt zu übergeben. Um 18.25 Uhr war der Krieg für Hamburg vorbei.

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Günther Chalupa/DPA

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