85 Jahre Freistaat Bayern Die Räterepublik

Ausgerechnet in Bayern brach 1918 die erste sozialistische Revolution in Deutschland aus. Am 8. November rief der Linkssozialist Kurt Eisner den Freistaat aus - eine echte Räterepublik. Zwei Monate später wurde er erschossen.

Die Nachricht erreichte Bayernkönig Ludwig III. bei seinem gewohnten Nachmittagsspaziergang im Englischen Garten in München: Bis zu 60 000 Menschen hatten sich an jenem Donnerstag im November 1918 auf der Theresienwiese versammelt. Unter der Bavaria, wo sonst das Oktoberfest gefeiert wird, proklamierte der Linkssozialist Kurt Eisner vor genau 85 Jahren den Umsturz. Kurz darauf, in der ersten Stunde des 8. November, ruft er den "Freistaat Bayern" aus -die mehr als 700 Jahre alte Monarchie ist gestürzt.

In Bayern brach die Revolution aus

Ausgerechnet das traditionsbewusste Bayern war damit der erste deutsche Einzelstaat, in dem 1918 die Revolution ausbrach. Ein massiver Ansehensverlust des Königshauses, mangelnde Autorität der Regierung und viel zu spät eingeleitete Reformen hatten den Boden für den Umsturz bereitet. Kriegsmüdigkeit und Wirtschaftsnot heizten den Volkszorn zusätzlich an und verschafften dem entschiedenen Kriegsgegner Eisner Zulauf.

Die CSU, die sich gern als Hüter weißblauer Freistaatlichkeit sieht, tut sich mit der Vaterschaft des roten Revolutionärs bis heute schwer. Die SPD verweist dagegen gern auf ihre historischen Verdienste um die Volkssouveränität in Bayern. "Ich bin stolz auf die demokratische Geschichte dieses Landes, zu der Sozialdemokraten maßgeblich beigetragen haben", sagt SPD-Landtagsfraktionschef Franz Maget. Und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) will zum 85. Geburtstag des Freistaats eine Gedenktafel für Eisner enthüllen.

Eisners Stunde

Dabei war der aus Berlin stammende Journalist und Kaufmannssohn auch für die Sozialdemokraten kein einfacher Genosse. Er gehörte der radikalen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USDP) an und stand mit dem eher reformorientierten SPD-Landeschef Erhard Auer auf Kriegsfuß. Gleichwohl hatten SPD, USDP und Freie Gewerkschaften für jenen Nachmittag des 7. November gemeinsam zur Friedensdemonstration auf der Theresienwiese aufgerufen. Als der Zug sich zu einer Kundgebung am Friedensengel aufmacht, ist Eisners Stunde gekommen.

Mit einem Trupp von rund 2000 Leuten sondert er sich unbemerkt von der Menge ab und führt einen "Revolutions-Zug" durch die Stadt an. Ohne Widerstand und Blutvergießen besetzen die Revolutionäre mit ihren roten Fahnen eine Kaserne nach der anderen und mehrere Behörden. Um 19.00 Uhr muss Kriegsminister Philipp von Hellingrath einräumen, dass ihm in München keine Truppen mehr zur Verfügung stehen.

Der König auf der Flucht

Noch am Abend macht sich der König auf die Flucht. In Zivilkleidung, eine Zigarrenkiste unter dem Arm, verlässt der Herrscher des Hauses Wittelsbach die Münchner Residenz. Drei eilig besorgte Mietwagen bringen Ludwig III. mit seiner Familie und einem kleinen Hofstaat zunächst an den Chiemsee. "Für die Monarchie und den alten Staat erhob sich keine Hand", bilanziert der Nestor der bayerischen Geschichtsforschung, Karl Bosl.

In den "Münchner Neuesten Nachrichten" lesen die Bürger am nächsten Morgen auf Seite eins die Proklamation des von Kurt Eisner geführten Arbeiter- und Soldatenrats: "Bayern ist fortan ein Freistaat", heißt es dort. "Eine Volksregierung, die von dem Vertrauen der Massen getragen wird, soll unverzüglich eingesetzt werden. ... Eine neue Zeit hebt an."

Tod auf offener Straße

Für Eisner war es keine gute Zeit. Bei der Landtagswahl am 12. Januar 1919, bei der erstmals in der bayerischen Geschichte auch Frauen wählen durften, fuhr seine Partei mit 2,5 Prozent eine vernichtende Niederlage ein. Am 21. Februar gegen 10.00 Uhr macht sich der erste Ministerpräsident des Freistaats auf den Weg in den Landtag, um seinen Rücktritt anzubieten. Er wird auf offener Straße von einem jungen Adeligen erschossen.

DPA
Nada Weigelt

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