Die Begnadigung des früheren RAF-Terroristen Rolf Clemens Wagner weckt Erinnerungen an ein blutiges Verbrechen: den Raubüberfall auf die damalige Volksbank an Zürichs Bahnhofstraße. Am 19. November 1979 schossen sich Wagner und seine drei Komplizen buchstäblich den Weg frei. Es gab eine Tote und drei Verletzte.
Der Überfall im Züricher Bankenviertel war von der damaligen Top-Riege der Roten Armee Fraktion (RAF) verübt worden: Neben Wagner waren auch Christian Klar, Peter-Jürgen Boock und Henning Beer beteiligt. Das Quartett erbeutete in der Schweizerischen Volksbank 548.000 Franken.
Schießerei in der Einkaufspassage
Danach flüchteten die Terroristen auf bereitgestellten Fahrrädern, später zu Fuß durch die Bahnhofstrasse zum Hauptbahnhof. Bei der dortigen Einkaufspassage "Shop-Ville" gab es die erste Schießerei: Ein Polizist stellte sich den Flüchtenden mit gezückter Waffe entgegen. In einem wahren Kugelhagel wurde er von drei Schüssen getroffen und schwer verletzt. Ein Schuss traf eine unbeteiligte Passantin in den Hals. Sie verblutete.
Dann trennte sich die Gruppe: Wagner und Beer flüchteten zur Straßenbahnhaltestelle Bahnhofquai, Klar und Boock zum nahe gelegenen Landesmuseum. Dort raubte Klar einen Personenwagen. Als sich die Fahrerin wehrte, schoss er ihr aus kurzer Distanz in die Brust. Sie wurde lebensgefährlich verletzt. Beer rannte ebenfalls zum Fluchtauto und entkam darin zusammen mit Klar und Boock. Bei der Wegfahrt schoss einer von ihnen auf einen weiteren Polizisten, der ebenfalls schwer verletzt wurde. Das Fluchtauto wurde später mit zerschossenen Reifen und zersplitterter Heckscheibe in einem Züricher Vorort gefunden.
Nach Überzeugung der Züricher Ermittler versteckten sich die geflohenen Terroristen zunächst in "Fluchtwohnungen" im schweizerischen Lausanne. Boock wurde 1981 verhaftet, Klar ein Jahr später. Im Sommer 1990 wurde Beer in der damaligen DDR gefasst.
Wagner war bei der Straßenbahnhaltestelle geblieben und setzte sich auf eine Bank. In einer Segeltuchtasche hatte er rund 335.000 Franken aus der Beute auf den Knien. Er verhielt sich unauffällig, hatte aber Pech: Bereits im "Shop-Ville" war er von einem Volksbank-Angestellten erkannt worden, der die Polizei auf den Mann aufmerksam machte. Wagner, der einen durchgeladenen Revolver bei sich trug, ließ sich widerstandslos festnehmen.
Ein zweites Mal zu lebenslanger Haft verurteilt
Nach seiner Verhaftung verweigerte Wagner jede Aussage. In einem Aufsehen erregenden Prozess in Winterthur wurde er am 26. September 1980 vom Geschworenengericht des Kantons Zürich wegen Mordes, mehrfachen Mordversuchs, Raubes und weiterer Delikte zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Am 6. Oktober 1982 wurde er an die Bundesrepublik ausgeliefert, die sich verpflichtete, die Schweizer Strafe zu vollziehen. Wagner wurde im März 1987 in Düsseldorf ein weiteres Mal zu lebenslanger Haft verurteilt, hauptsächlich wegen Beteiligung an der Entführung und der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Er wurde dann zu dem am längsten inhaftierten RAF-Terroristen.
Neben Wagner sitzen derzeit noch die früheren RAF-Mitglieder Eva Haule, Christian Klar, Brigit Hogefeld und Brigitte Mohnhaupt in deutschen Gefängnissen. Wagner ist im hessischen Gefängnis Schwalmstadt eingesperrt.
Die zu Beginn der 70-er Jahre als antikapitalistische Guerilla gegründete RAF hatte unter anderem mit Anschlägen gegen Wirtschaftsführer und US-Einrichtungen versucht, den Staat zu bekämpfen und sich dabei als Teil einer "internationalen Befreiungsbewegung" gesehen. In den frühen 90er Jahren gestand die Gruppe ihr Scheitern ein und löste sich auf. Angehörige versuchen unter Hinweis auf die langjährige Haft vieler RAF-Gefangenen, auch die Freilassung der noch inhaftierten Ex-RAF-Mitglieder zu erreichen.