Warschau Aufstand ohne Überlebenschance

Als SS-Truppen am 19. April 1943 das Warschauer Ghetto zu einer neuen Deportation betraten, wurden sie mit Schüssen und Molotow-Cocktails empfangen. Eine Hand voll Aufständischer war zum Kampf gegen die Übermacht entschlossen.

Es war der Vortag des jüdischen Pessachfestes, als deutsche SS-Truppen am 19. April 1943 das Warschauer Ghetto zu einer neuen Deportation betraten. Die Bevölkerung des Ghettos, eingepfercht hinter Mauern, täglich um das Überleben kämpfend angesichts von Krankheiten und Hunger, bestand zu diesem Zeitpunkt aus rund 60.000 Menschen.

Nach den Plänen der nationalsozialistischen "Endlösung" sollten nun auch die letzten von ursprünglich 330.000 Warschauer Juden in das Vernichtungslager Treblinka deportiert werden. Doch als die Deutschen diesmal ihre Opfer in Viehwaggons pferchen wollten, wurden sie mit Schüssen und Molotow-Cocktails empfangen. Rund 750 Mitglieder der "Jüdischen Kampforganisation" waren zum verzweifelten Kampf gegen eine Übermacht entschlossen.

Waffen, Bunker und Verstecke

Die jungen Männer und Frauen - Zionisten, aber auch Anhänger des sozialistischen "Bundes" - hatten sich auf diesen Tag seit Wochen vorbereitet, im Untergrund Waffen gekauft, Bunker und Verstecke angelegt. Eine militärische Ausbildung oder Kampferfahrung hatte keiner von ihnen, als sie vor über 60 Jahren mit dem ersten Aufstand in einer von den Deutschen besetzten Stadt Geschichte schrieben.

"Was damals begonnen hat, war der Anfang dessen, was in den Ruinen von Berlin endete", sagt Marek Edelman, der in Lodz wohnende letzte lebende Kommandeur des Ghetto-Aufstandes. In einem verzweifelten Nahkampf leisteten sie bis zum 16. Mai Widerstand gegen die deutschen Truppen, die besser bewaffnet und zahlenmäßig weit überlegen waren.

Von ihrem Bunker in der Mila-Straße aus organisierten die Ghetto-Kämpfer unter dem Kommando von Mordechai Anielewicz den Kampf. "Es gab sehr viel Unterstützung von der Bevölkerung des Ghettos für uns", erinnert sich Edelman. Schwieriger war es mit der polnischen Untergrundbewegung, die den Aufständischen zwar einige Waffen verkauft hatte, aber noch nicht den Zeitpunkt für den großen Aufstand gekommen sah. Die von den Vernichtungsplänen der Nazis bedrohten Juden im Ghetto dagegen wussten, dass sie nicht warten konnten.

Das Ghetto wird zur Hölle

Nachdem es der SS nicht gelang, im Häuserkampf der Situation Herr zu werden, beschloss der SS-Kommandeur Jürgen Stroop, das Ghetto systematisch niederbrennen zu lassen. Flammen, Hitze und Rauch verwandelten das Ghetto in eine Hölle, Menschen stürzten brennend aus den Fenstern. Wem es zu fliehen gelang, der wurde von den deutschen Polizei- und SS-Truppen getötet.

Den Aufständischen war klar, dass es für sie wie auch für die übrige Ghetto-Bevölkerung kaum Überlebenschancen gab. "Nur die wenigen Auserwählten werden aushalten, alle anderen werden untergehen, früher oder später", schrieb Anielewicz an einen Freund außerhalb des Ghettos. "Die Hauptsache ist, dass mein Lebenstraum verwirklicht wurde: Ich konnte noch die jüdische Verteidigung im Ghetto in ihrer ganzen Größe und in ihrem ganzen Ruhm sehen."

"Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr"

Anielewicz und andere Mitglieder seines Führungsstabes begingen Selbstmord, als auch ihr Bunker in Flammen stand. Am 16. Mai meldete Stroop in seinem Bericht: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr." Laut Stroops Bericht waren mehr als 56.000 Juden getötet worden. Einige hundert Menschen konnten sich durch die Kanalisation auf die "arische Seite" retten, unter ihnen auch Edelman.

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Eva Krafczyk/DPA